Seit 1998 ist Markus Winkelhock als Rennfahrer aktiv. Der 42-jährige Waiblinger ist Teil einer der bekanntesten Motorsportfamilien Deutschlands und hat schon einige 24-Stunden-Rennen gewonnen. Im Interview spricht er über das Thema Mut im Motorsport, die Gefahren seiner Sportart und er verrät, wovor er wirklich Angst hat.
Herr Winkelhock, was macht für Sie den Reiz am Motorsport aus?
Ein Faktor ist sicherlich, dass man Mut braucht. In einen Rennwagen zu steigen ist allerdings bis zu einem gewissen Grad ein kalkulierbares Risiko. Man kann an sein Limit und auch darüber hinaus gehen. Der andere Reiz ist für mich die Zusammenarbeit mit dem Team. Mit den Ingenieuren durch die Technik entscheidende Zehntelsekunden herauszuholen, das reizt mich.
Sie haben den Mut angesprochen. Was bedeutet Mut für Sie?
Für mich ist Mut, Dinge, vor denen ich Angst oder Respekt habe, zu überwinden. Wenn ich an meine Sportart Motorsport denke, gibt es einige Situationen, in denen ich Mut brauche. Beispielsweise Überholmanöver oder Zweikämpfe, in denen um die bessere Position gekämpft wird.

Würden Sie sich als mutigen Menschen bezeichnen?
Ja, ich denke schon, dass ich ein mutiger Mensch sein kann. Gerade im Motorsport habe ich das schon häufig bewiesen. Wenn ich im Auto sitze und es hier und da mal knapp wird, kann ich meine Angst ausblenden und denke darüber nicht so viel nach.
Gibt es auch Situationen, in denen Sie mal nicht mutig sind?
Das Einzige, wo ich keinen Mut beweisen kann, ist Höhe. Ich habe immer wieder versucht, meine Höhenangst zu überwinden. Doch da kann ich versuchen, was ich will, die bekomme ich nicht weg.
Um auf Ihre Sportart zurückzukommen, woher kommt Ihre Motorsport-Begeisterung?
Ich bin, wie man so schön sagt, familiär vorbelastet. Da mein Vater und mein Onkel auch Autorennen gefahren sind, stand ich als Kind öfter an der Rennstrecke. Im Alter von 13 Jahren hatte ich dann ein Kart und war hobbymäßig am Wochenende häufig mit meinen Freunden und meinem Onkel Kart fahren.

Wie begann dann Ihre Karriere als Rennfahrer?
Mit 18 Jahren habe ich die Möglichkeit bekommen, eine Saison just for fun in der Nachwuchsserie Formel König zu fahren. In dieser bin ich direkt Vizemeister geworden und dann hat das Schicksal so seinen Lauf genommen. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung zum Fotografen gemacht, aber aus hobbymäßigem Rennen fahren ist doch mein Beruf geworden.
Ihr Vater Manfred sowie Ihre beiden Onkel Joachim und Thomas waren ebenfalls erfolgreiche Rennfahrer. Hatten Sie von Beginn an einen hohen Druck, Ähnliches leisten zu müssen?
Ein wenig vielleicht, denn der Name Winkelhock war im Motorsport ja schon bekannt. Mein Vater ist in der Formel 1 gefahren, da wurde auf mich dann ein bisschen mehr geschaut. Ich habe mir da aber selbst keinen Druck gemacht. Ich habe mich auf meine Sache konzentriert und versucht, das so weit wie möglich auszublenden. Ich hatte es durch meinen Namen eher etwas leichter, denn dadurch wurde mir die ein oder andere Tür geöffnet, meine ersten Schritte im Motorsport zu gehen.
Sie sind bei zahlreichen 24-Stunden-Rennen mitgefahren. Bei solchen soll im Team mit einem Auto und mehreren Fahrerwechseln innerhalb von 24 Stunden eine möglichst große Distanz zurückgelegt werden. Wie gehen Sie solche Rennen an?
Jeder will ein Rennen gewinnen, das ist klar. Ich gehe es relativ entspannt, aber doch fokussiert an. In solchen Rennen passiert so viel. Deshalb lässt man es erst einmal laufen und wartet ab. Trotzdem gebe ich mein Maximum und am Schluss wird dann abgerechnet. Zu verbissen an die Sache ranzugehen ist in meinen Augen die schlechtere Strategie.
Was ist das Besondere an solchen 24-Stunden-Rennen?
Für uns Fahrer ist das eine große Herausforderung. Wir sitzen einige Stunden lang mit wenig Schlaf im Auto und müssen fehlerfrei durchfahren. Das Rennen entscheidet sich nicht in den ersten Runden. Nur wer dauerhaft fehlerfrei bleibt, kann gewinnen.

Gibt es Rennstrecken, die besonders viel Mut von den Fahrern erfordern?
Ja. Gerade die Nürburgring-Nordschleife ist die schwierigste und gefährlichste Rennstrecke der Welt. Man fährt nachts mit 250 km/h durch einen Wald, links und rechts sind zwei Meter Gras und ein bisschen Leitplanke, das war’s. Wenn es dann noch zu regnen anfängt, siehst du fast nichts. Zudem sind dort bis zu 200 Autos auf der Strecke, von professionellen Rennfahrern bis hin zu den Amateurfahrern. Wenn dann noch ein Auto Öl verliert und man das nicht sieht, kann das schon gefährlich werden. Daher braucht man gerade bei diesem Rennen als Rennfahrer viel Mut.
Sie haben die Gefahren angesprochen, die Ihre Sportart mit sich bringt. Wie gehen Sie mit diesen Gefahren um?
Zum einen hilft das Wissen, dass Motorsport mit der Zeit immer sicherer geworden ist. Trotzdem bleibt ein Restrisiko. Das weiß jeder Rennfahrer. Es bleibt ein gewisser Respekt, aber als Rennfahrer muss man die Risiken ausblenden. Sobald ich das Visier runterklappe, fahre ich nach Instinkt und lasse die Angst weg. Wäre ich bei Überholmanövern oder in Zweikämpfen ängstlich, wäre ich automatisch nicht mehr so schnell, wie ich es sein sollte. Als Rennfahrer brauchst du einfach diesen kontrollierten Drang zum Risiko.
Was wird getan, um den Motorsport sicherer zu machen?
Extrem viel, vor allem in den vergangenen Jahren. Zum einen wurden die Rennstrecken durch größere Auslaufzonen und optimierte Barrieren und Reifenstapel am Rand der Strecke sicherer gemacht. Andererseits wurden die Autos, Helme und Rennanzüge so stabil und feuerfest optimiert, dass im Falle eines Unfalls nicht so viel passiert, wie es in den 80ern noch der Fall war. Und es entwickelt sich immer weiter.
Inwiefern?
Bei uns hat Audi beispielsweise für jeden Fahrer einen eigenen Sitz im Sitz. Dieser ist perfekt auf meinen Körper angepasst. Im Falle eines Unfalls ist das extrem wichtig. Zudem können diese Sitze bei einem Fahrerwechsel schnell getauscht werden, sodass jeder die für sich optimale Sitzeinstellung und -form hat.

Kritische Stimmen sagen trotzdem, Motorsport sei lebensgefährlich. Was entgegnen Sie solchen Kritikern?
Motorsport ist eine Risikosportart, deshalb mag das bis zu einem gewissen Grad so sein. Aber es gibt viele andere Sportarten, die genauso gefährlich sind und bei denen auch etwas passieren kann. Es wird kein Sportler dazu gezwungen, diese Sportart zu betreiben. Deswegen ist es mir überlassen, ob ich das jetzt mache oder nicht.
Sie sind mittlerweile 42 Jahre alt und betreiben Ihre Sportart bereits seit knapp 25 Jahren. Wie lange möchten Sie noch in Rennwagen steigen?
Solange ich noch Spaß habe und solange ich noch schnell bin. Und natürlich muss ich weiterhin unter Vertrag genommen werden. Wenn das so ist, kann ich mir gut vorstellen, die nächsten fünf Jahre noch zu fahren. Das steht aber noch in den Sternen. Ich muss und möchte mich weiterhin beweisen. Denn es ist mein Ansporn, dass ich den jüngeren Fahrern immer noch Paroli bieten kann.
Das Interview wurde geführt von Jonas Kuhn.