Die FISU World University Games sind die weltweit größte Multisport-Veranstaltung nach den Olympischen und Paralympischen Spielen. Bei rund 10.000 Athletinnen und Athleten und Offiziellen aus 170 Ländern kommt dem Thema Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung zu. Helen Gampper ist Senior Managerin im Bereich Legacy & Sustainability und Mitarbeitende des Organisationskomitees der Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games. Bei den European Championships Munich 2022 war sie bereits Teil des Nachhaltigkeitsteams. Das Thema Nachhaltigkeit bei Sportgroßveranstaltungen hat sie bereits während ihres Studiums begeistert und zu ihrem Schwerpunkt gemacht. Im Interview gibt Gampper Einblicke in die Nachhaltigkeitsthemen rund um eine der größten Multisport-Veranstaltungen der Welt.
Frau Gampper, wie sind Sie zum Organisationskomitee der World University Games 2025 gekommen?
Das Organisationskomitee der Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games wurde bereits im Jahr 2021 gegründet. Im Mai 2023 bin ich durch ein Bewerbungsverfahren dazugestoßen. Regelmäßig schreibt das Organisationskomitee interessante Stellen aus. Ich hatte bereits Erfahrung im Nachhaltigkeitsmanagement bei den European Championships in München gesammelt und eine akademische Ausbildung an der Universität Tübingen und später an der Universität Mainz absolviert. Im Masterstudiengang habe ich mich intensiver mit dem Thema Sportgroßevents und Nachhaltigkeit sowie Legacy auseinandergesetzt. Bei den European Championships 2022 wurde während des Planungsprozesses ein Team aufgebaut, das sich auf das Thema Nachhaltigkeit konzentrierte. Bei den Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games wurde ein Fachbereich eingerichtet, in dem die Nachhaltigkeitsthemen gebündelt werden. Das Thema Nachhaltigkeit wurde hier von Anfang an sehr ernst genommen – daher freue ich mich sehr, als Senior Managerin Legacy & Sustainability im Organisationskomitees tätig zu sein.
Welchen Stellenwert hat die Nachhaltigkeit für Sie bei den World University Games?
Nachhaltigkeit ist der zentrale Aspekt von Rhine-Ruhr 2025. Das versuche ich auch im Team stetig zu fördern. Glücklicherweise unterstützt die Geschäftsführung das Thema ebenfalls. Ökologische Nachhaltigkeit hat einen besonders hohen Stellenwert, aber auch soziale und ökonomische Nachhaltigkeit sind für uns ebenfalls sehr relevant. Ich betrachte die ökologische Nachhaltigkeit als Grundlage, auf der sich das Soziale und Ökonomische einbetten. Nachhaltigkeit ist eine Gemeinschafts- und Querschnittsaufgabe für die Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games und dafür arbeite ich eng mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen zusammen. Zum Beispiel entstehen Bildungs- und Bewegungsangebote oder Projekte mit Kindern und Jugendlichen zusammen mit dem Education- und Non-Sports-Department, die sich speziell mit Bildungsthemen und dem Rahmenprogramm beschäftigen.
Welche Maßnahmen werden bereits jetzt getroffen, um während der Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games die Aufmerksamkeit auf Nachhaltigkeit zu lenken?
Die Entscheidung, die Veranstaltung möglichst nachhaltig zu gestalten, wurde schon zum Start der Planungen getroffen: Besonders bei ökologischen Themen spielt dies eine wichtige Rolle. Die Nutzung und Modernisierung von vorhandenen Sportstätten sowie kurze Wege für Athletinnen und Athleten wurde von Anbeginn der Planung festgesetzt. Wir werden zudem zeitnah in einem Pre-Games-Report offenlegen, wie unser Planungsstand zum Thema Nachhaltigkeit ist. Dabei spiegeln Maßnahmen den aktuellen Stand wider. Wir versuchen, alle Informationen vor und nach den Spielen bereitzustellen, damit sie leicht zugänglich sind. Um das Thema noch sichtbarer und erlebbarer zu machen, werden auch Mitmachaktionen durchgeführt. Beispielsweise werden wir im Rahmenprogramm der FISU World University Games im Sommer 2025 eine Sportdiplom anbieten, um Bewegung zu fördern. Kinder und Jugendliche können hierbei Sportarten ausprobieren, sich bewegen, aktiv sein und Informationen einholen. Außerdem erfahren sie, wo sie in der Region Sport treiben können. Weitere Mitmachaktionen und Workshops sind ebenfalls geplant. Zum jetzigen Stand kann ich jedoch noch nicht viel sagen, da wir uns noch am Anfang der Planung des Rahmenprogramms und aller Pre-Games und On-Event-Aktivitäten befinden.
Wie erfolgt der Transport von Athletinnen und Athleten sowie Trainerinnen und Trainer während der Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games und inwiefern ist dieser nachhaltig gestaltet?
Als Haupttransportmittel für akkreditierte Personen, zum Beispiel Volunteers, Trainerinnen und Trainer und Athletinnen und Athleten, ist geplant, den Fokus auf den öffentlichen Nahverkehr zu legen. Dennoch müssen Athletinnen und Athleten und Trainerinnen und Trainer pünktlich sein und haben oft einen straffen Zeitplan. Auch die Strecken zwischen Trainings- und Wettkampfstätten müssen zurückgelegt werden, wobei diese teilweise zu Fuß zurückgelegt werden können, aber es auch möglicherweise keine optimale öffentliche Verkehrsanbindung gibt. Es wird versucht, in Gesprächen mit den Verkehrsbetrieben der Region, die öffentlichen Verkehrsmittel zu erweitern und die Kapazitäten zu erhöhen, um dies zu verbessern. Beim Thema ÖPNV sind jedoch Shuttle-Services bislang unerlässlich. Diese werden in Form von Bussen bereitgestellt, die in einer bestimmten Taktung fahren, um Leerfahrten zu vermeiden. Die Shuttle-Services sind für die genannte Gruppe von Akkreditierten gedacht und sollen zu den Hauptzeiten eingesetzt werden. In der Metropolregion Rhein-Ruhr gibt es die Möglichkeit, Hybrid- oder Elektroantrieb zu nutzen. Es wird mit lokalen Anbietern geprüft, wie der Shuttle-Service umgesetzt werden kann.
Es treffen bei den Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games viele Kulturen aufeinander, es werden Studierende aus der ganzen Welt anreisen. Wie wird versucht, Sportlerinnen und Sportlern aus Kulturen, in denen Nachhaltigkeit eine geringere Bedeutung spielt, deren Bedeutung näher zu bringen?
Akkreditierte Teilnehmende können auch zwischen den Wettbewerben an speziellen Workshops und kulturellen Angeboten teilnehmen. Es gibt zum Beispiel einen FISU Gender Equality Round Table sowie Workshops zu Nachhaltigkeitsthemen, saubere Leistung und sicherer Sport. Dort werden Themen vermittelt, ausgetauscht und diskutiert. Auch überlegen wir derzeit, was wir gemeinsam mit Studierenden erarbeiten können. Diese könnten sich zum Beispiel aktiv am Rahmenprogramm beteiligen. Universitäten aus Düsseldorf oder anderen Gastgeberstädten können das Rahmenprogramm mitgestalten. Dadurch kann ein Austausch zwischen den Teilnehmenden stattfinden. Wir setzen stark auf Bildung und Engagement. So können wir in diesem Bereich große Fortschritte erzielen und die Beteiligten können sich gegenseitig inspirieren.
Welche Ansätze werden verfolgt, um soziale Nachhaltigkeit im Sportumfeld umzusetzen?
Unser Nachhaltigkeitskonzept lässt sich hier gut einmal skizzieren. Wir haben spezielle Fokusfelder gebildet. Ein Beispiel ist Vielfalt und Inklusion. Wir versuchen, die soziale Nachhaltigkeit durch konkrete Zielsetzungen, Indikatoren und Maßnahmen in diesen Themenfeldern zu fördern. Dabei setzen wir uns konkrete Ziele, ergreifen verschiedene Maßnahmen, um die Ziele zu erreichen und evaluieren dies im Nachgang. Im Bereich der Inklusion arbeiten wir beispielsweise mit einem Event-Inklusionsmanager im Sport des EVI-Projekts des DOSB zusammen, der seine Expertise einbringt. So gestaltet sich zum Beispiel unsere Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen, um sich zum Beispiel speziell für den Sport von Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Ich arbeite derzeit mit ihm daran, wie wir unser Event so inklusiv wie möglich gestalten können, damit Menschen mit den verschiedensten Bedürfnissen bestmöglich an unserem Event teilhaben können. Allein dieses Thema der sozialen Nachhaltigkeit ist sehr umfangreich.
Inwiefern können Sportlerinnen und Sportler sowie Zuschauerinnen und Zuschauer zur Nachhaltigkeit beitragen beziehungsweise diese unterstützen?
Nachhaltigkeit erfordert Teamwork und jede und jeder kann dazu beitragen. Es funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn Teams aus Nachbarländern Deutschlands entscheiden, welches Transportmittel sie nutzen, um zu uns zu kommen, stellt der Bus eine emissionsarme Option dar. Wir können lediglich Anreizsysteme aufstellen oder Empfehlungen aussprechen. Es ist uns jedoch nicht möglich, diese Entscheidung für sie zu treffen. So kann der CO2-Fußabdruck des Events reduziert werden, indem Teilnehmende aus den Nachbarländern und anderen europäischen Ländern nachhaltiger anreisen. Die Teilnehmenden haben einen großen Einfluss auf das Event, sowohl bei der Anreise als auch währenddessen, insbesondere wenn sie zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr und ihre ÖPNV-Karte nutzen. Es ist auch wichtig, kein Littering zu verursachen, den Müll richtig zu trennen und auf andere alltägliche Dinge zu achten, die wir bereitstellen.
Wie kann der Standort Rhein-Ruhr durch die FISU World University Games nachhaltig profitieren, zum Beispiel in Bezug auf das Stadtnetz oder die Sportvereine?
Die größte Entwicklung ist die Modernisierung der Sportstätten. Diese ist in Zusammenarbeit mit den lokalen Verbänden und Vereinen geplant, um zum Beispiel den Nachwuchs zu fördern. Dabei werden auch Umweltaspekte berücksichtigt, sodass die modernisierten Sportstätten zum Beispiel stromsparender sind. Zum Beispiel wird bei der Erneuerung von Sanitäranlagen auf moderne und energieeffiziente Technologien gesetzt. Im Lohrheidestadion in Bochum werden nicht nur umfangreiche Sanierungen durchgeführt, sondern auch Umweltaspekte bei den Umbauten berücksichtigt. Dazu gehören beispielsweise Begrünungen und Photovoltaikanlagen. Die modernen Sportstätten werden nach den World University Games auch von lokalen Vereinen und Verbänden in der Metropolregion Rhein-Ruhr genutzt. So werden Sportstätten modernisiert, die in die Jahre gekommen sind.
Wie kann sichergestellt werden, dass die Bemühungen um Nachhaltigkeit nicht zu Greenwashing führen, sondern authentisch und wirkungsvoll sind?
Unsere Herangehensweise ist transparent. Wir kommunizieren unseren Ansatz, was wie durch unser Event oder Handeln passiert oder sich auswirken kann. Wir zeigen auf, welche Aktionen und Maßnahmen wir ergreifen und welche Hebel wir in der Hand haben. Wir dokumentieren dies in einem Bericht, der auch auf unserer Website zur Verfügung stehen wird. Hier zeigen wir auf, was wir tun, ohne Green Claims zu machen. Bei uns geht es nicht um Marketing oder Nice-to-have. Wir stellen die relevanten Handlungsfelder dar und setzen uns konkrete Ziele. Post-Games werden wir umfangreich evaluieren. Auf diese Weise können wir zeigen, was während des Events tatsächlich passiert ist. Bei den Maßnahmen ist es wichtig, transparent zu zeigen, was gut funktioniert hat und was nicht, und warum. So können zukünftige Veranstalter auch davon lernen und das Wissen anwenden. Wir sind auch offen für Feedback und Kritik und gemeinsame Weiterentwicklungen von Maßnahmen. Ich bin überzeugt, dass wir so Greenwashing entgegenwirken können.
Inwiefern kann man noch von Nachhaltigkeit sprechen, wenn die Sportlerinnen und Sportler unter anderem per Flugzeug anreisen und nur in kleinen Bussen umherreisen und nicht den öffentlichen Verkehr oder Großbusse nutzen?
Es ist relevant zu differenzieren, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen. Wir behaupten nicht, eine per se nachhaltige Sportveranstaltung zu sein. Stattdessen zeigen wir auf, in welchen Handlungsfeldern wir einen Beitrag leisten und welche Nachhaltigkeitsziele wir verfolgen. Unser Ziel ist es nicht zu behaupten, dass die Fluganreise aller Athletinnen und Athleten nachhaltig ist. Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, was wir vor Ort kontrollieren können, wie zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr. Wir prüfen auch alternative Antriebe für Busse. Daher ist es wichtig, das Thema Nachhaltigkeit in den richtigen Kontext zu setzen. So versuchen wir, im Rahmen unserer Möglichkeiten das Mögliche zu tun und das, was wir steuern können, anzugehen.
Welche positiven und negativen Erfahrungen wurden aus den vorherigen World University Games gesammelt und welche Maßnahmen werden ergriffen, um daraus zu lernen?
Es ist entscheidend, wo die vergangenen World University Games stattgefunden haben und was tatsächlich an den jeweiligen Standorten passiert ist. Nehmen wir zum Beispiel die World University Games 2023 in China. Meine Kollegen und Kolleginnen vor Ort konnten mir aufgrund der geringen Priorisierung des Themas kaum Erfahrungswerte bezüglich Nachhaltigkeit mitteilen. Im Gegensatz dazu konnten wir bei einem vorangegangenen Event in Lake Placid, bei dem Nachhaltigkeitsinitiativen umgesetzt wurden, Informationen zu Maßnahmen wie Recycling und erneuerbaren Energien sammeln. Wir sollten auf jeden Fall daran anknüpfen. Es ist interessant, was bisher bei den World University Games passiert ist. Besonders hervorzuheben sind die sozialen Projekte, die bei jedem Event stattgefunden haben. Es hilft, zwischen ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu unterscheiden. Der Sport hat auch im Bereich der sozialen Themen bereits Stärke bewiesen. Die World University Games haben diese Stärke stets genutzt und beispielsweise Projekte mit Kindern, Jugendlichen, Hochschulen und der Wissenschaftskonferenz durchgeführt, die immer Teil der World University Games sind. Die soziale Nachhaltigkeit war schon immer ein wichtiger Aspekt und wir setzen auf die Erfahrungen und Erfolge der Vergangenheit. Knowledge Transfer spielt hier eine entscheidende Rolle. Wir erhalten so von der FISU notwendige Informationen zu vergangenen Events.
Was erhoffen Sie sich von den FISU World University Games 2025 in Deutschland?
Wenn Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenkommen, ist dies ein wertvolles Ereignis für den internationalen kulturellen Austausch. Ich glaube, dass es für alle Zuschauende und Teilnehmende nicht nur sportlich, sondern auch auf sozialer Ebene ein wichtiger Austausch ist. Ich erhoffe mir viel in Richtung Völkerverständigung, aufgrund des friedlichen Zusammenkommens und des Austausches. Für die Region hoffe ich, dass sie zeigen kann, dass eine Transformation im Gange ist – weg vom Fokus auf die Industrie hin zu Sport, Kultur und Umweltthemen. Wir möchten, dass alles sichtbar und erlebbar wird. Für das Sportland NRW ist dies ebenfalls ein entscheidendes Element. Die Hochschulen haben hier eine große Plattform, um sich zu präsentieren. Es treffen so der Sport, Kultur und Wissenschaft aufeinander und durch einen Austausch und die Vernetzung von Beteiligten können Entwicklungsimpulse vor allem für die Region und die Gesellschaft entstehen.
Das Gespräch wurde geführt von Carlsson Eisenberg und Joel No