Er findet Ruhe beim Angeln und lehnt Social Media ab: Moritz Karlitzek gilt als einer der besten deutschen Volleyballer – wohl auch, weil er sich gegen die Duale Karriere entschieden hat.
Stundenlang allein am Wasser sitzen und runterfahren. Von dem ganzen Trubel. Von dem Lärm in der Halle. Moritz Karlitzek schöpft Kraft aus der Natur, beim Angeln. „Das ist wie Meditation für mich“, sagt er. Karlitzek, 28 Jahre alt, hat geschafft, wovon viele junge Volleyballer träumen: Der Außenangreifer spielt mittlerweile in Polen, gehört zu den besten deutschen Volleyballern und war bei Olympia dabei. Er hat sich gegen die Sicherheit eines Studiums entschieden und stattdessen alles auf die Karriere im Volleyball gesetzt – eine Wette, die sich ausgezahlt hat. In einem Gespräch im Dezember 2024 erzählte Karlitzek von sich und seinem risikoreichen Weg.

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Seine Leidenschaft für Volleyball begann nach dem Besuch eines Erstligaspiels in Eltmann. Früh ging es anschließend für Moritz Karlitzek zu seinem Heimatverein – dem TV/DJK Hammelburg. Mit 15 Jahren trainierte er nebenbei immer wieder beim VSG Coburg/Grub mit, und so gab es bereits in der elften Klasse einen Austausch und das Versprechen zwischen beiden Vereinen, dass er nach dem Abitur nach Coburg gehen könne, sofern diese in die erste Bundesliga aufsteigen.
Als der Aufstieg gelang, wusste Karlitzek: Er wollte spielen, nicht auf der Bank sitzen. Mit 18 Jahren stand er in seiner ersten Bundesligasaison als Stammspieler auf dem Feld. Seine guten Leistungen fanden schnell Anerkennung. „Wie kann man schon so jung so gut und auch schon so abgezockt sein“, sagt sein ehemaliger Mitspieler Dirk Mehlberg über das erste Duell mit Karlitzek.
Trotz des sportlichen Erfolgs fehlte ihm etwas. Er wechselte nach Rottenburg und begann in Tübingen Sportwissenschaft zu studieren, während er weiterhin in der Bundesliga spielte. „Die Organisation war top. Die Uni hat uns sehr unterstützt, und die Trainingszeiten wurden angepasst, damit wir Kurse besuchen konnten.“ Doch der Spagat zwischen Studium und Leistungssport war herausfordernd. Rückblickend sagt er: „Ich habe keine Ahnung, wie ich das damals gemacht habe, aber das war alles möglich.“ Der Ausgleich zum Volleyball war das Uni-Leben. Egal ob ein Zumba- oder Yogakurs, für ihn war es einfach schön neue Leute in seinem Alter kennenzulernen und das habe er auch genossen. „Es war auch endlich ein bisschen normaleres Leben neben dem Trainingsalltag“, erzählt Karlitzek.
Sprung in die Nationalmannschaft
2016 wurde er in die Nationalmannschaft berufen, plötzlich trainierte er mit Spielern wie Lukas Kampa und Georg Grozer. „Das war Wahnsinn“, sagt Karlitzek. Ein Jahr später feierte er mit dem Team einen der größten Erfolge der deutschen Volleyballgeschichte: Silber bei der Europameisterschaft 2017.

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Für Moritz Karlitzek ist Volleyball sein Leben und das Studium die Vernunft und er weiß, man müsse sich auf die Zeit nach dem Volleyball vorbereiten. Um sein volles Potential im Sport auszureizen, gab er dennoch sein Studium in Tübingen auf. „Ich habe da nicht wirklich an mein Studium gedacht“, erzählt Karlitzek. Es folgte der Wechsel zum Ligakonkurrenten United Volleys Frankfurt. Dort wartete eine neue Herausforderung: Das Studium wurde zur Nebensache. „Es war ein kurzer Studienurlaub“, sagt Karlitzek rückblickend. „Die Rahmenbedingungen ließen es einfach nicht zu.“
Zwei Jahre später und ohne einen abgeschlossenen Bachelor wagte Karlitzek dennoch den Schritt ins Ausland. Über Stationen in Italien und Frankreich, landete er schließlich in einer der stärksten Ligen der Welt, in Polen. Ganz unvorbereitet wollte Karlitzek aber nicht sein. Es ergab sich die Möglichkeit eines Fernstudiums, für das er nebenbei immer wieder lernte.
Auch wenn Karlitzek seinen eigenen Weg kritisch betrachtet und jungen Nachwuchssportler*innen aufgrund seiner Erfahrungen als Student in Tübingen die Duale Karriere empfiehlt, sagt er ohne zu zögern: „Ich würde es nochmal genauso machen.“ Trotzdem sei es wichtig, sich eine Alternative zu überlegen, um vorbereitet zu sein. Er ist realistisch und weiß, dass es im Volleyball sehr schwierig ist für das Leben auszusorgen. „Wir sind keine Fußballer, wir können nach der Karriere keine 20 Millionen auf dem Konto haben“. Aktuell liege sein Fokus jedoch woanders: Karlitzek ist seit drei Monaten Vater. An Studieren sei im Moment daher nicht zu denken.
Mit Sprungkraft zu Olympia
Seine Qualitäten sind unübersehbar: „Moritz macht wenige Fehler, auch in Drucksituationen“, sagt sein ehemaliger Mitspieler Willy Belizer. Er kompensiere seine vergleichsweise geringe Körpergröße von 1,91 Metern mit enormer Sprungkraft. Karlitzek beschreibt sich selbst als „ehrgeizig, zielstrebig, vielleicht sogar perfektionistisch“. Er schaffte es 2024 zu den Olympischen Spielen nach Paris, bei denen er mit Deutschland bis in das Viertelfinale gekommen ist.

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„Ich bin froh, in dieser Welt nicht auch noch jemand sein zu müssen“
Karlitzek trägt diesen Erfolg nicht nach außen. Auf Social Media sucht man ihn vergebens. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Lust darauf habe.“ Auch wenn man durch Social Media zusätzlich viel Geld verdienen könne, reize ihn das überhaupt nicht. „Ich habe nicht das Bedürfnis, mich da selbst zu präsentieren und bin froh, in dieser Welt nicht auch noch jemand sein zu müssen.“
Privat beschreibt sich Karlitzek als ruhig und familiär. Auch Dirk Mehlberg sah in ihm nicht den „Sprücheklopfer“. Trotzdem war es für ihn immer amüsant zu sehen, dass Moritz Karlitzek immer über jeden Spruch der anderen gelacht habe, ob es lustig war oder nicht.
In seinem heutigen Zuhause in Polen genießt er jede freie Minute. Neben dem Kochen ist auch das Angeln eine große Leidenschaft für den gebürtigen Hammelburger. Mit seinem Opa und Bruder ist er früher jedes Wochenende zum Angeln gefahren und von früh bis spät abends draußen gewesen. Um dem Liga-Alltag zu entfliehen, durchzuatmen und die Gedanken abzuschalten, fährt er auch heute noch gerne ein paar Stunden raus auf das Wasser. „Die Ruhe in der Natur gibt mir immer einen inneren Frieden und entschleunigt mich einfach“, sagt Karlitzek.
Moritz Karlitzek hat sich für einen Weg entschieden, bei dem der Sport an erster Stelle steht. Die Duale Karriere aufgegeben und alles auf eine Karte gesetzt. Eine risikoreiche Entscheidung, die sich ausgezahlt hat. Konkrete Pläne für die Zeit nach dem Volleyball hat Karlitzek noch nicht. Er wolle aber spätestens dann sein Fernstudium in der Sportwissenschaft abschließen.
Emil Reiff
- Moritz Karlitzek: Sport statt Studium - 11. Mai 2025