Was machen unsere Olympioniken nach ihrer Karriere? Im besten Fall erfolgt ein nahezu fließender Übergang von der sportlichen hin zur beruflichen Karriere. Doch für jemanden, der den Großteil des Lebens im Training und bei Wettkämpfen verbracht hat, kann dieser Schritt eine große Hürde werden. Um diesen Übergang zu bewältigen und die Spitzensportler*innen bestmöglich darauf vorzubereiten, werden sie beim Mentorenprogramm der Stiftung Deutsche Sporthilfe in Zusammenarbeit mit der Werte-Stiftung mit Wegbegleiter*innen ausgestattet.
„Wir haben schnell bemerkt, dass es nicht so leicht ist, sich während des Studiums ein berufliches Netzwerk aufzubauen“
Für Christiane Reppe gibt es eigentlich keine Hürden. Die 37-Jährige gehört zu den erfolgreichsten deutschen Para-Athleten in Deutschland. Reppe, deren rechtes Bein aufgrund eines Tumors amputiert werden musste, als sie fünf Jahre alt war, holte Paralympics-Gold in Rio, vier Weltmeistertitel und zahlreiche weitere Medaillen im Handbiken sowie Paralympics- und WM-Medaillen im Schwimmen. Den Übergang in eine erfolgreiche berufliche Karriere hat sie inzwischen bereits geschafft. Geholfen hat ihr dabei das gemeinsame Mentorenprogramm von der Stiftung Deutschen Sporthilfe und der Werte-Stiftung.
Im Jahr 2013 rief die Stiftung Deutsche Sporthilfe zusammen mit der Werte-Stiftung ein Mentorenprogramm ins Leben, das Spitzensportler*innen bei ihrer Dualen Karriere unterstützen soll. „Wir wollen den Athlet*innen auf dem Weg in den Beruf oder in der beruflichen Entwicklung helfen.” Das ist für Anna-Lisa Schwarz, Geschäftsführerin der Werte-Stiftung, eines der Hauptziele des Programms. Unter ihrer Leitung versteht sich die Werte-Stiftung als Sparrings- und Kooperationspartner der Stiftung Deutsche Sporthilfe.
Alle Athlet*innen werden mit erfolgreichen Persönlichkeiten aus der Wirtschaft oder anderen Gesellschaftsbereichen vernetzt, wobei diese Persönlichkeiten als Mentor*innen fungieren und die Athlet*innen über mehrere Jahre begleiten. Diese Personen sollen bestenfalls „Türen in die jeweiligen Netzwerke herstellen oder sogar öffnen können”, unterstreicht Schwarz. Die Gründer des Programms seien alle bestens vernetzt in die Wirtschaft und übermitteln die Führungskräfte in das Programm.
Belinda Blaschik, die als Athletenmanagerin bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe engen Kontakt zu den Spitzensportler*innen hat, kennt die Kriterien, um als Athlet*in am Mentorenprogramm teilnehmen zu können. Es bedarf einer aktuellen Förderung der Sporthilfe oder der Zugehörigkeit zu einem Sporthilfe Alumni-Club, bestehend aus ehemaligen geförderten Athlet*innen. Zudem muss ein Mentee-Fragebogen ausgefüllt werden. Über den soll ein oder eine passende Mentor*in ausgesucht werden, erläutert Blaschik.
Wer passt zu wem und weshalb?

Das Konstrukt des Mentorenprogramms steht und fällt mit der Fähigkeit und der Persönlichkeit der Mentorin oder des Mentors. Die Auswahl ist dabei meist sehr individuell, wie die Geschäftsführerin der Werte-Stiftung verrät. Es gäbe keine klaren Standards, da sich die Anforderungen für die Mentor*innen von Branche zu Branche unterschieden und jedes Unternehmen und jede Person individuell betrachtet werden müsse. Dabei hebt sie die Individualität jedes Auswahlverfahrens hervor: „Primär ist es unsere eigene Beurteilung. Wir müssen erst die Personen kennen lernen und können anschließend ein Gefühl dafür entwickeln, ob diese wirklich unterstützen wollen oder sich nur selbst darstellen wollen“, so Schwarz.
Die Basis einer erfolgreichen Zusammenarbeit startet beim Matching. Dieses findet drei- bis viermal im Jahr statt. Grundlage einer Vermittlung sind die ausgefüllten Steckbriefe der Athlet*innen. Diese werden mit den verfügbaren Mentor*innen verglichen, so Blaschik von der Deutschen Sporthilfe. Das Matching mit einem oder einer potenziell passenden Mentor*in entstehe in erster Linie aus inhaltlicher Übereinstimmung, regionaler Nähe und der zeitlichen Verfügbarkeit. Dass dieses Matching aber nicht ganz trivial ist, wissen sowohl Sporthilfe und Werte-Stiftung als auch die Athlet*innen selbst. „Sollte es für Athlet*innen kein passendes Match aus dem aktuellen Pool geben, wird versucht aus dem Netzwerk beider Stiftungen neue Mentor*innen zu akquirieren“, erklärt Blaschik. Sie bedauert aber auch, dass dies nicht immer für alle Branchen machbar sei und Athlet*innen teilweise längere Zeit auf eine oder einen passenden Mentor*in warten müssen. Diese Problematik ist auch der Werte-Stiftung bekannt. „Ich habe kürzlich jemanden aus dem Bereich des Tunnelbaus gesucht. Doch aus unserem Umfeld hatte niemand Kontakte zu diesem spezifischen Bereich. Letztendlich habe ich aber über drei Ecken einen Tipp bekommen, dessen Kontakt jemanden kennt und so weiter“, berichtet Anna-Lisa Schwarz.
It´s a match! Eine Erfolgsstory?
Als ehemalige Schwimmerin, Paratriathletin und Paralympicssiegerin von 2016 sowie viermalige Weltmeisterin mit dem Handbike beschreibt sich Christiane Reppe selbst als „sehr leistungsorientiert“ – sei es im Sport oder im beruflichen Alltag. Als ehemals geförderte Spitzenathletin der Deutschen Sporthilfe war Reppe selbst Teil des Mentorenprogramms. Lachend erinnert sie sich an die Anfänge der Zusammenarbeit mit ihrer Mentorin Friederike Lindenberg zurück. Sie habe sich ihre Mentorin selbst ausgesucht oder genauer, sie hätten sich selbst gefunden, betont die ehemalige Spitzenathletin. Dass es beim Matching neben der inhaltlichen Übereinstimmung vor allem auf menschlicher Ebene passen muss, weiß die mehrmalige Paralympics-Teilnehmerin ganz genau: „Ich hatte das Gefühl, Friederike versteht genau, was ich will und ich kann super offen mit ihr sprechen“. Friederike Lindenberg selbst ist als Beraterin und Business Coach tätig.
Mit der That‘s Coffee GmbH, einem Unternehmen für nachhaltigen Kaffeehandel, wurde 2023 die Geschäftsidee von Christiane Reppe und ihrem Geschäftspartner zum Sporthilfe Start-up des Jahres gewählt. Schon damals hatte sie ganz konkrete Anforderungen an ihre Mentorin. In dieser Zeit habe Friederike Lindenberg mehr als Mediatorin agiert und damit genau die passende Unterstützung geboten. „Das war super hilfreich und total gut. Ich brauche niemanden, der mir erklärt, wie ich eine GmbH gründen kann, das sind Sachen, die ich selbst mache.“
Wie eine Zusammenarbeit zwischen Mentor*in und Mentee aussieht, ist immer individuell geregelt. Zurückblickend legt Christiane Reppe offen, sie habe nicht zu häufig Kontakt zu ihrer Mentorin gehabt, sie aber immer kontaktiert, sobald sich beruflich bei ihr etwas geändert habe oder sie Antworten auf konkrete Fragen benötigte. Neben dem telefonischen Austausch haben sich beide auch immer wieder bei regelmäßig organisierten Mentorentreffen persönlich gesehen. „Diese Mentorentreffen finde ich spitze!“, verrät Reppe. Es sei ein großes Treffen von Mentor*innen und Mentees, erinnert sich die 37-Jährige. „Man trifft andere Geschäftsleute und auch Sportler*innen, mit denen man sich austauschen kann. Das habe ich immer als bereichernd empfunden“. Jetzt sei sie sogar etwas traurig, dass sie bei den Treffen nicht mehr dabei sein kann, gibt die ehemalige Spitzensportlerin zu.

„Es ist natürlich nicht immer auf Anhieb ein perfect match“
Neben all den positiven Aspekten der Mentorentreffen, sieht Reppe aber auch Optimierungsbedarf für die Zukunft. Neben einem verbesserten Aufbau der Meetings, damit diese allen einen Mehrwert bieten können, gäbe es auch bei den Matching-Prozessen noch Potential, bekräftigt Reppe. Passend dazu habe sie von einer befreundeten Athletin mitbekommen, wie diese einen Mentor an die Seite bekommen habe. Der Freundin sei mitgeteilt worden, dass dieser Mentor aufgrund ihres Studiums perfekt sei für sie. Anschließend habe sie die Nummer des Mentors bekommen und sie solle sich mit ihm zusammenfinden. Die befreundete Athletin meinte dann zu ihr, dass es komisch sei, denn sie wisse gar nicht, was sie als Sportlerin von ihrem Mentor zu erwarten habe und was das Ziel des Ganzen wäre. Christiane Reppe macht deutlich, ihre Freundin habe sich auf jeden Fall verloren gefühlt und mehr Unterstützung benötigt. Belinda Blaschik von der Sporthilfe greift diesen Punkt mit Blick in die Zukunft auf und erklärt, es solle zukünftig auch ein Onboarding mit den Athlet*innen geben, um sie noch detaillierter über das Programm im Voraus zu informieren.
Ansonsten schaut Christiane Reppe zufrieden auf ihre Zeit als Mentee zurück. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, selbst als Mentorin für das Programm zu fungieren, antwortet sie selbstreflektiert: „Ja, auf jeden Fall, wenn ich dafür geeignet bin. Ich glaube, wenn man das selbst schon durchgemacht hat, kann man es noch viel besser rüberbringen und den Athlet*innen etwas mitgeben.“
Qualität statt Quantität
Geschäftsführerin Anna-Lisa Schwarz betont aus Sicht der Werte-Stiftung, es gäbe aktuell immer zwischen 140 und 160 Paare im Mentorenprogramm. Anfangs sei es das Ziel gewesen, jedes Jahr um die 50 neue Paare zusammenzuführen. Aber nach kürzester Zeit sei bemerkt worden, dass es nicht um die Anzahl der Paare, sondern um die Qualität des Mentorings geht. Für die Sporthilfe gilt die Zusammenarbeit zwischen Sportler und Mentor als erfolgreich beendet, sobald die Athlet*innen den Berufseinstieg geschafft haben. „Wenn uns diese Information erreicht, wird das Matching über uns offiziell beendet“, so Blaschik.
Die Werte-Stiftung zeigt sich sehr zufrieden mit dem Konzept: „Meiner Ansicht nach stellt das Mentorenprogramm das bedeutendste immaterielle Unterstützungsangebot der Sporthilfe für die Athletinnen und Athleten dar.“ Die Stiftung bekomme fast durch die Bank weg ein sehr positives Feedback.
Das Mentorenprogramm stelle eine zusätzliche Bereicherung für Spitzensportler*innen dar, die sich sowohl dem intensiven Training als auch dem Studium widmen und gleichzeitig ihre berufliche Laufbahn vorantreiben möchten. Der spezifische Nutzen variiert in der Regel je nach individuellen Anforderungen der Sportler*innen und den Fertigkeiten sowie Qualifikationen der Mentor*innen. Ebenfalls ist die Beziehung von Mentee und Mentor*in von entscheidender Rolle, wenn es um die Zusammenarbeit sowie den Austausch untereinander geht. Dass das Programm gut angenommen wird, zeigen die Zahlen und dass es gut ankommt, zeigen die positiven Feedbacks.
- Mit dem passenden Match vom Spitzensport in die berufliche Zukunft - 3. August 2025
