Yannis Fischer ist an der Spitze der Para-Kugelstoßer angelangt. Der 21-jährige Singener gewann im Sommer 2023 bei der Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Paris, mit WM-Rekord (11,43 Meter), die Goldmedaille. Im Interview erzählt Yannis Fischer, wie er über Umwege zum Kugelstoßen kam und was er sich kommenden Sommer für die Paralympischen Spiele, die ebenfalls in Paris stattfinden, erhofft.
Yannis Fischer, Sie haben früher Fußball gespielt und bei einer WM in Kanada sogar eine Goldmedaille mit Deutschland gewonnen. Wie kam es dazu, dass Sie vom Fußball zur Leichtathletik gewechselt sind?
In Kanada gab es für Kleinwüchsige die World-Dwarf-Games. Da werden die verschiedensten Sportarten angeboten, das geht von Bogenschießen über Boccia zu Fußball. 2017 kam das erste Mal auch eine deutsche Fußball-Mannschaft zusammen und glücklicherweise haben wir direkt den Weltmeistertitel geholt. Als Weltmeister war ich wiederum auf einer Sportlerehrung, bei der auch ein Para-Leichtathletiktrainer war. Der hat mich angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mich in der Leichtathletik zu versuchen. Ich habe davor viele Jahre in einer Fußballmannschaft gespielt und irgendwann war das dann mit der Schrittlänge etwas schwierig. Deshalb war ich auf der Suche nach einer neuen Sportart. Da hat sich ein Wechsel gerade angeboten.
Wann sind Sie auf den Gedanken gekommen, das leistungsorientiert zu machen?
Am Anfang habe ich das einfach zum Spaß gemacht. Bei einem Wettkampf habe ich Peter Salzer (aktueller Trainer, Anm. d. Red.) getroffen. Er meinte, ich solle doch einmal nach Stuttgart kommen. Dann hat er mir den Drehstoß beigebracht. Als nächstes wurde ich für den Nachwuchskader nominiert. Ich bin da irgendwie reingerutscht und irgendwann wurde das Leistungssport. So hat sich alles entwickelt.
Sie haben vergangenes Jahr im Sommer 2023 in Paris den Weltmeistertitel geholt und hatten davor das deutsche Team als Fahnenträger ins Stadion geführt. Inwiefern hat das Ihre Leistung beeinflusst?
Klar, es war sehr cool und im Nachhinein glaube ich auch, dass es mich für den Wettkampf noch mehr motiviert hat und mir die restliche Power gegeben hat, um die Kugel zur persönlichen Bestleistung zu stoßen. Deshalb glaube ich, war es sehr gut, dass ich da Fahnenträger war.
Sie sind als Weltranglisten-Erster angereist. Hat Sie das besonders unter Druck gesetzt?
Eigentlich bin ich da mit nicht so viel Druck hingegangen, weil es meine erste Weltmeisterschaft war. Klar, ich bin als Erster hingereist, aber ich wusste auch, dass meine Konkurrenz mehr kann. Ich glaube, das hat mir am Ende dann auch geholfen.
Paris war bestimmt ein sehr prägendes Ereignis für Sie. Wenn Sie das Erlebnis oder Ihren Sieg in drei Worten zusammenfassen müssten, welche wären das?
Ein Wort würde ich sagen: „Gold.“ Das zweite Wort ist „stark“ und das dritte wäre „Wendepunkt.“
Was bedeutet der Wendepunkt?
In meiner Karriere ist mir sowas ja noch nie passiert. Das ist auch das Größte, was ich bisher erreicht habe. Das hat mir danach viele Türen geöffnet.
Wie wichtig ist für Sie Niko Kappel, Ihr Trainingspartner?
Niko Kappel ist für mich ein Vorbild. Wir trainieren schon eine längere Zeit zusammen und klar, wenn ich irgendeine Frage habe, unterstützt er mich. Aber auch wenn er mal irgendwie Schwierigkeiten hat, kann auch ich ihm weiterhelfen. Das ist sowohl eine gute Freundschaft als auch sportlich sind wir sehr eng.
Welche Rolle spielt für Sie das Team? Sind Sie eher der Typ, der seinen Fokus und seine Ruhe in dem Moment braucht, oder pusht Sie das Anfeuern und der Einfluss von außen?
Ich glaube sowohl als auch. Es ist sehr wichtig, dass ich im Wettkampf meine Ruhe bewahre. Aber auf der anderen Seite pusht mich das auch enorm, wenn das ganze Team auf der Tribüne sitzt und klatscht und mich anfeuert. Da bin ich dann, glaube ich, am besten und kann meine Bestleistung abrufen.
Haben Sie irgendwelche Rituale, die Sie vor dem Wettkampf machen?
Ein Ritual ist, dass ich vor dem Wettkampf immer Pasta esse. Selbst bei den Paralympischen Spielen in Tokio. Damals hatte ich einen Wettkampf am Morgen und dann habe ich mir da einfach um sechs Uhr in der großen Mensa Nudeln geholt und vor dem Wettkampf gegessen.
Sie sind an der Spitze des Leistungssports angekommen. Sie haben in einem Interview einmal gesagt, dass es Ihr Traum ist, vom Sport leben zu können. Wie sieht es aktuell bei Ihnen aus?
Also im Moment kann man sagen, dass ich davon leben könnte. Als Para-Kugelstoßer verdient man jetzt nicht so viel, aber ich werde, wie viele Sportler, durch die Sporthilfe unterstützt. Die Sportregion Stuttgart ist ebenfalls ein Sponsor von mir und vom VfB Stuttgart, meinem Verein, bekomme ich auch etwas. Es ist jetzt nicht so, dass ich davon reich werde, aber ich kann davon leben. Mein Ziel ist es noch mehr Sponsoren zu bekommen.
Haben Sie einen Lieblingssponsor, bei dem Sie sich freuen würden, wenn er Sie sponsert?
Nein (lacht). Ach wobei, Nike würde ich schon cool finden. Aber die nehmen eher nur Läufer unter Vertrag.
Wie zuversichtlich sind Sie mit Blick auf die Paralympischen Spiele im kommenden Sommer in Paris, trotz Ihrer Verletzung und dem Trainingsrückstand?
Die Paralympics und Olympia sind für einen Sportler das Größte und das Wichtigste. Klar, manchmal habe ich schon ein bisschen Zweifel, ob das klappen könnte, aber dann denke ich mir auch, eigentlich muss ich positiv bleiben und es bringt auch nichts, sich die ganze Zeit Sorgen darüber zu machen. Ich muss einfach das Beste daraus machen und dann hoffen, dass das auch alles klappt, wie ich mir das erhofft habe.
Welche Chancen rechnen Sie sich in Paris aus?
Wenn ich wieder belastungsfähig und in alter Form bin und normal stoßen kann (Trainingsrückstand nach Bandscheibenvorfall und einer Spinalkanalstenose, Anm. d. Red.), dann gehe ich natürlich mit dem Ziel hin, eine Medaille zu gewinnen. Und ich glaube, erst einmal ist es mir egal, was für eine Medaille. Aber klar, am coolsten wäre natürlich Gold. Eine Medaille bei den Paralympics wäre schon besonders für mich und würde mir viel bedeuten.
Das Gespräch führte Emil Reiff