Zum ersten Mal in der Geschichte der FISU World University Games (WUG) wird 2025 in Rhine-Ruhr eine Para-Sportart in das Programm aufgenommen: 3×3 Rollstuhlbasketball. Wie gelingt Inklusion im Sport? Wie können Barrieren abgebaut werden, welche Herausforderungen gibt es? Und welchen Beitrag können die Spiele leisten, um auch beim Publikum die Sensibilität im Umgang mit Behinderung und Inklusion zu erhöhen? Die erfolgreiche Para-Sportlerin Annika Zeyen-Giles, die bei den WUG für Content und Design zuständig ist, und Event-Inclusion-Manager Sport Louis Kleemeyer nehmen im Interview dazu Stellung.
Welche Ziele verfolgt das Organisationskomitee in Bezug auf die Integration des Behindertensports bei den WUG 2025?
Zeyen-Giles: Wir gehen davon weg, den Begriff „Behindertensport“ zu verwenden und nennen es Para-Sport, weil das Wort „Behinderung“ in Deutschland oft im negativen Zusammenhang genutzt wird. Wir möchten, dass Para-Sport und Sport von Menschen ohne Behinderung selbstverständlich nebeneinander stattfinden kann und dass Barrieren abgebaut werden, dass also auch Menschen mit Behinderung ohne Probleme die WUG erleben können.
Wie kam es zu der Entscheidung, 3×3 Rollstuhlbasketball in das Programm aufzunehmen? Warum genau diese Sportart?
Zeyen-Giles: Generell sind 3×3 Basketball und 3×3 Rollstuhlbasketball sehr junge, dynamische und attraktive Sportarten, auch für Zuschauer. Zum Beispiel war 3×3 Rollstuhlbasketball bei den vergangenen Commonwealth Games dabei, und da wurden positive Erfahrungen gemacht. Für uns passt es auch einfach logistisch gut in das Gesamtkonzept und man kann das Turnier sehr inklusiv gestalten. Dies bezieht sich auch auf den Spielplan. Es ist nicht so, dass drei Tage lang 3×3 Basketball und dann drei Tage lang 3×3 Rollstuhlbasketball stattfindet, sondern es ist so geplant, dass sich die Spiele an den gleichen Tagen immer abwechseln, sodass wir dann hoffentlich 3×3 Rollstuhlbasketball einer großen Zahl an Zuschauern präsentieren können.
Louis Kleemeyer: 3×3 Basketball war auch bei den Special Olympics World Games in Berlin 2023 dabei. Es wird immer mehr 3×3 Basketball gespielt, und es ist auch bei der Zielgruppe gut umsetzbar.
In einem Beitrag der ARD-Sportschau wurde darüber berichtet, dass es eine Regeländerung bei der Klassifizierung im Rollstuhlbasketball gegeben hat. Diese Änderung führte dazu, dass Personen mit minimaler Behinderung teilweise von der Teilnahme an den Paralympics ausgeschlossen wurden. Wie werden die Teilnahme und Qualifikation von Studierenden für 3×3 Rollstuhlbasketball bei den WUG geregelt?
Zeyen-Giles: Das Qualifikationssystem ist jeweils abhängig von den einzelnen Verbänden. Bei uns wird es so sein, dass es jeweils acht Frauen- und Männerteams sind, die sich qualifizieren können. Bezüglich den Qualifizierungsregeln müssen wir uns an die Vorgaben des internationalen Fachverbands halten, dies ist die International Wheelchair Basketball Federation (IWBF). Es ist richtig, dass es speziell im Rollstuhlbasketball international eine Regeländerung gab, weil sich die IWBF an die Regeln des Internationalen Paralympischen Kommitees anpassen musste, damit Rollstuhlbasketball weiterhin paralympisch bleiben kann. Somit muss bei den Spielerinnen und Spielern mindestens eine Minimalbehinderung vorliegen. Was „zu wenig“ Behinderung bedeutet, wurde heftig diskutiert, aber letztendlich haben wir mit diesen Regeln nichts zu tun, sondern wir halten uns daran, was vom internationalen Fachverband vorgegeben wird.
Welche Herausforderungen sind bei der Integration von 3×3 Rollstuhlbasketball zu bewältigen?
Zeyen-Giles: Natürlich bringt es Herausforderungen mit sich, wenn man viele Rollstuhlfahrer hat. Wir brauchen barrierefreie Hotelzimmer, Toiletten, Umkleideräume usw. Deshalb haben wir Louis als Inklusionsmanager, der bei all dem unterstützen kann. Und deshalb wurde auch ich einbezogen, weil ich einfach viele Jahre Erfahrung mit dem Thema habe. Ich habe dann zum Beispiel bei der Auswahl des Hotels mitgeholfen.
Wie wird das Organisationskomitee sicherstellen, dass das Publikum ein Interesse am 3×3 Rollstuhlbasketball während der WUG zeigt?
Zeyen-Giles: Bei den Paralympics sind die Rollstuhlbasketballspiele immer ausverkauft. Bei den World University Games ist es so, dass nur eine Para-Sportart angeboten wird, diese aber dafür vollkommen inklusiv in das Programm integriert ist. Da abwechselnd Spiele im 3×3 Basketball und 3×3 Rollstuhlbasketball stattfinden, wird es wahrscheinlich sein, dass sowohl die Rollstuhlbasketballfans als auch die Basketballfans jeweils auch die andere Sportart anschauen werden.
Kleemeyer: Außerdem werden wir auch über 3×3 Rollstuhlbasketball beziehungsweise generell über die Games offen kommunizieren. Wir haben dazu einen Newsletter-Beitrag erstellt, und wir werden es natürlich auch gegenüber den einzelnen Verbänden kommunizieren.
Welche weiteren Angebote gibt es neben dem offiziellen Programm, um die Sensibilität im Umgang mit Menschen mit Behinderungen bzw. dem Para-Sport zu erhöhen?
Kleemeyer: Wir werden neben dem sportlichen Rahmen auch verschiedene Standorte nutzen, an denen wir Programmpunkte für Inklusion anbieten. Beispielsweise wollen wir Menschen ohne Behinderung zeigen, wie es ist, wenn man im Rollstuhl sitzt, oder wie es sich anfühlt, wenn man blind oder taub ist. Wir wollen dafür auch Verbände und den Behindertensport NRW mit einbinden, die beispielsweise Sportarten im Rollstuhl organisieren können. Es geht darum, dass Menschen in Bewegung kommen, sich austauschen, Spaß haben und merken: „Ja, okay, eigentlich ist es gar nicht so viel anders.“
Zeyen-Giles: Das Rahmenprogramm ist natürlich noch in der Planung und nicht finalisiert, aber auf jeden Fall wäre es schön, wenn auch den Zuschauern die Möglichkeit gegeben wird, einmal selbst 3×3 Rollstuhlbasketball auszuprobieren.
Welche langfristigen Strategien hat das Organisationskomitee implementiert, um sicherzustellen, dass der Para-Sport nicht nur während der Spiele 2025, sondern auch darüber hinaus gefördert wird?
Zeyen: Unser Organisationskomitee wird nur bis Ende 2025 bestehen, das heißt, dass wir nicht langfristig planen können. Wir können aber dem Internationalen Universitätssportverband zeigen, wie positiv es ist, wenn man eine Para-Sportart in das Programm der WUG inkludiert. Wir hoffen natürlich, dass das nur der Anfang ist und es bei den nächsten Ausgaben selbstverständlich ist, dass Para-Sportarten mit dabei sind und es immer mehr Para-Sportarten werden, die Teil der WUG sind. Dementsprechend versuchen wir, dies in 2025 sehr gut zu organisieren, sodass sichtbar wird, dass es etwas Positives ist, das man bei zukünftigen FISU World University Games auf jeden Fall dabeihaben sollte.
Kleemeyer: Beispielsweise werden bei den nächsten FISU Games im Winter bereits Para-Sportarten integriert. Es ist ein großer Erfolg sagen zu können „Ok, nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter ist es eine Option, dass Para-Sport zukünftig immer dabei ist.“
Wie kann man das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Athleten mit Behinderungen an Universitäten oder Hochschulen stärken? Welche Botschaft wollen Sie an Studierende und Universitäten senden?
Kleemeyer: Man muss Begegnungen mit Menschen mit Behinderung schaffen. Dabei sollte man auch offen Fragen stellen können. Ich bin einer, der sagt: „Lieber stellt man Fragen, als keine Kommunikation aufzubauen.“ Man kann auch auf verschiedene Veranstaltungen gehen, die es für Para-Sport oder Specialsport gibt, Volunteer sein und Erlebnisse mitnehmen. Ich glaube, es ist ganz gut, einfach offen zu sein und Bewusstsein zu schaffen.
Zeyen-Giles: Ich denke, das Wort Inklusion ist ein Modewort geworden, jeder möchte Inklusion und redet darüber. Anstatt darüber zu reden, sollten Angebote geschaffen werden, wo sich Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung problemlos begegnen können, Sachen zusammen machen können, wie zum Beispiel zusammen Sport treiben. Oft ist das gar nicht so schwierig, aber oft wird zu viel geredet, als es einfach zu machen.
Das Gespräch wurde von Joséphine Le Gall geführt.
- Weniger reden – einfach machen - 27. Mai 2024