
(Bild: Sergio Carmona)
Michael Chang schrieb im Jahr 1989 Sportgeschichte, als der damals 17-Jährige im Achtelfinale der French Open von Paris den favorisierten Ivan Lendl besiegte und nur wenige Tage später den Titel des wichtigsten Sandplatzturniers der Welt gewann. Mehr als 25 Jahre später hält er nach wie vor den Titel des jüngsten Grand-Slam-Siegers aller Zeiten und trainiert jetzt den asiatischen Superstar Kei Nishikori
Wir treffen Chang in Barcelona, Spanien, wo er seinen Schützling Nishikori beim ATP World Tour 500 Event begleitet. Mit uns spricht er über den größten Erfolg seiner Karriere und über die Bedeutung von Werten, die er Nishikori vermitteln kann, um weiterhin erfolgreich zu bleiben.
Herr Chang, werden Sie noch oft auf Ihren Sensationserfolg gegen Lendl angesprochen?
Ja. Ich habe noch sehr viele wunderbare Erinnerungen an dieses Turnier. Es war ein großer Spaß, die beste Zeit meines Lebens. Ich war auf dem Platz gesegnet. Gott wollte diesen Sieg. Ohne meinen festen Glauben hätte ich das nie geschafft.
Sie lagen 0:2 zurück in Sätzen und litten unter starken Krämpfen. Kam Ihnen nie der Gedanke aufzugeben?
Doch, klar. Meine innere Stimme sprach zu mir: „Gib auf, dann ist es endlich vorbei.“ Aber wenn du den leichten Weg suchst, wirst du nie die großen Dinge im Leben erreichen. Und so habe ich weitergespielt. Und es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, die letztendlich zum größten Erfolg meiner Karriere führte.
Heutzutage erzielen immer weniger junge Spieler große Erfolge. Was hat sich geändert in der Tenniswelt?
Heute lassen die Spieler zwar etwas länger mit dem Durchbruch auf sich warten, aber dafür beenden sie ihre Karriere auch viel später. Meine Generation hielt maximal bis 30 durch, danach war Schluss. Die Trainingsmethoden wurden seither verbessert und Spieler wie Roger Federer oder David Ferrer sind nach wie vor sehr erfolgreich, obwohl sie schon weit über 30 sind. Das geht allerdings nur, wenn man ein starkes Team hinter sich hat oder die Familie und Freunde dich unterstützen. Alleine schafft das keiner; die Tour ist sehr hart.
Wie können Sie Kei Nishikori dabei helfen, bessere Ergebnisse zu erzielen und welche Werte können Sie ihm dazu noch vermitteln?
Es ist natürlich eine Teamleistung. Ich trainiere Kei zusammen mit Dante Bottini und wir arbeiten daran, Kleinigkeiten im technischen und taktischen Spiel zu verbessern. Kei ist schon ein sehr kompletter Spieler. Allerdings hat er früher zu oft an sich gezweifelt, hat sich selbst nicht bedingungslos vertraut. Daran haben wir viel gearbeitet und das ist jetzt ganz anders. Er hat einen sehr starken Kampfgeist und Glauben. Ohne einen starken Willen und unerbittlichen Kampfgeist kommt man heutzutage im Sport nicht sehr weit. Talent allein reicht hier nicht mehr aus.
Für Sie war es also eine einfache Entscheidung, die Rolle des Trainers von Kei Nishikori zu übernehmen?
Als ich Kei zum ersten Mal bei einem Schaukampf in Tokio traf, merkte ich, dass es ihm an Überzeugung mangelte. Da wir beide ursprünglich aus Asien kommen, reizte es mich sehr, ihm in dieser Hinsicht zu helfen. Aber wäre Kei nicht Kei, hätte ich die Rolle nicht angenommen. Sein Verhalten auf und jenseits des Tennisplatzes ist tadellos. Ich habe selber drei Kinder und es ist wichtig, dass der Spieler, den ich trainiere, auch ein Vorbild für die Jugend ist.
Wie ich sehe, reisen Sie auch mit Ihrer Familie zu den Turnieren…
Ohne die uneingeschränkte Unterstützung meiner Frau und Familie hätte ich die Rolle des Coaches nicht annehmen können. Meine Frau Amber spielte früher auch Tennis und eine meiner Bedingungen war es, dass Sie mitreisen könne. Kei war damit einverstanden und lernt so auch, wie wichtig die Unterstützung der Familie ist. Als ich noch spielte, trainierte mich mein Bruder Carl und meine Eltern kamen zu allen Turnieren. Es gibt niemanden auf der Tour, der alleine mit dem enormen Druck umgehen kann. Man benötigt die Unterstützung seiner besten Freunde und Familie. Kein Champion hat jemals etwas alleine geschafft. Niemand. Das ist unmöglich. Weder Federer, noch Nadal, noch Djokovic. Alle haben ein Top-Team, um sie zu ermutigen. Das ist auch die Weise, wie man reift.
Das Interview führte Oliver Divljak
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