Ein Kommentar von Tim Rittelmann
Der American-Football-Hype in Deutschland und Europa ist so groß wie nie zuvor. Dies zeigte vor allem das erste NFL-Spiel in Deutschland, das im November 2022 in der Münchner Allianz-Arena stattfand. Laut dem NFL-Deutschland-Chef Alexander Steinforth hätten ca. drei Millionen Tickets für das Spiel verkauft werden können. Bislang konnte diese Begeisterung aber nicht dafür genutzt werden, den Sport in Europa voranzubringen. Verbände wie der American Football Verband Deutschland (AFVD) sind viel zu träge und in den Medien ist immer nur von der NFL die Rede. Jetzt gibt es aber die European League of Football (ELF). Diese Liga ist das, was der Entwicklung des Footballs in Europa bislang fehlte.
2007 beendete die NFL ihr Experiment einer europäischen Football-Liga. Nach 15 Jahren wurde die NFL Europe (NFLE) aufgelöst. Der Grund? Am Ende machte die Liga rund 40 Millionen Euro Verluste pro Jahr. Seitdem traute sich niemand mehr, ein ähnliches Projekt in Europa anzugehen. Bis der TV-Experte und ehemalige Footballtrainer Patrick Esume sich 2020 dazu entschloss, gemeinsam mit dem Unternehmer Zeljko Karajica die ELF zu gründen.
Gemeinsam haben sie den Mut aufgebracht, ein Projekt zu realisieren, an dem ein milliardenschweres Unternehmen wie die NFL scheiterte. Und das auch noch mitten in einer Pandemie. Dabei haben Esume und Karajica zwar schon viel Erfahrung vom Sportgeschäft, aber nicht davon, wie man eine neue Liga aufbaut und betreibt. Das Ziel: Es besser zu machen als die NFL und den American-Football-Hype in Europa auszunutzen. Denn dies ist etablierten Ligen, wie der vom AFVD ausgerichteten höchsten deutschen Spielklasse German Football League (GFL), nicht gelungen. Das hielt Esume und Karajica aber nicht davon ab, das Risiko, dass die Liga scheitern könnte einzugehen und ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Um nicht ein gänzlich unbekanntes Produkt auf den Markt zu bringen, sicherten sie sich die Rechte an den Teamnamen der NFLE. Somit gehen Teams mit bekannten Namen, wie Frankfurt Galaxy oder die Hamburg Sea Devils, in der ELF an den Start. Außer den Namen haben die Teams mit ihren Vorgängern zwar nichts zu tun, aber es könnte dazu führen, dass ehemalige NFLE-Fans auch diese neuen Teams unterstützen.
Innerhalb der ersten drei Jahre konnte die ELF stetig wachsen. Nachdem in der ersten Saison acht Teams dreier Länder an den Start gingen, werden es in der dritten Saison 2023 bereits 17 aus neun Ländern sein. Das langfristige Ziel von 24 Mannschaften ist also schon fast erreicht. Dieses schnelle Wachstum zeigt, dass nun der richtige Zeitpunkt für eine solche Liga gekommen ist und dass eine Nachfrage dafür besteht. Das sieht man auch an den ELF-Übertragungen auf Pro Sieben Maxx. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreichen Spiele der ELF einen durchschnittlichen Marktanteil von 2,0 Prozent. Ein beachtlicher Wert für eine frisch gegründete Football-Liga. Die ELF konnte 2022 noch für weitere Schlagzeilen sorgen. Mit Marcel Dabo von den Stuttgart Surge und Adedayo Odeleye von den Berlin Thunder schafften zwei europäische Spieler aus der ELF den Sprung in die NFL. Dabei half ihnen die ELF durch ihre größere Reichweite und die höhere Qualität der Liga. Dies unterstreicht die Bedeutung einer europäischen Liga, in der sich die besten Spieler Europas messen, um dann den nächsten Karriereschritt gehen zu können.
Die Kritik an der ELF aus der GFL, die Liga nehme den Amateurvereinen ihre jahrelang ausgebildeten Spieler weg, ist nachvollziehbar. Jedoch fällt diese auf einen Verband zurück, der es seit Jahren versäumt, seine Strukturen zu professionalisieren und seinen Vereinen Wachstumsmöglichkeiten zu bieten. Als dann mit der ELF eine, in Form von Gehalt und Niveau, attraktivere und professionellere Alternative geschaffen wurde, ist es nachvollziehbar, dass sich viele Spieler für einen Wechsel entscheiden.
Für manche Teams kann das Abenteuer ELF aber schnell wieder vorbei sein. Die Istanbul Rams mussten nach nur einer Saison in der ELF im Dezember 2022 verkünden, dass sie in der kommenden Saison aus finanziellen Gründen kein Team stellen können. Solch einen Schaden muss man aber bei einer neu gegründeten Liga in Kauf nehmen. Am Ende könnte dieser Zwischenfall das Gesamtprodukt sogar stärken, denn sportlich konnten die Rams in ihrer ersten Saison nicht mithalten.
Bislang zahlt sich der Mut von Esume und Karajica voll aus. Davon können die europäischen Football-Fans und -Spieler nur profitieren. Schließlich kann man sich so die NFL-freie Zeit im Sommer mit professionellem Football in Europa vertreiben und für die Spieler ist es eine Chance ihre Karriere voranzutreiben. Und das Gute ist: Der ganz große Verlust kann gar nicht drohen, weil die ELF im Gegensatz zu der NFLE auf ein natürliches und gesundes Wachstum setzt.
Die ELF ist jedenfalls auf dem besten Weg, sich in der Football-Welt Europas zu etablieren. Und egal, wie es am Ende ausgehen wird: Für den American Football in Europa war die Gründung der ELF ein wichtiger Schritt, um den Sport weiter voranzubringen und größer zu machen.
- Die European League of Football: Was Football-Europa gefehlt hat - 11. Februar 2023