„Dies ist ein großartiger Moment für dieses Land. Wir haben die Freiheit in unseren Händen, und es liegt nun an uns, das Beste daraus zu machen“, sagte Premierminister Boris Johnson in seiner Neujahrsansprache. Der finale Bruch Großbritanniens mit der Europäischen Union ist besiegelt, der Brexit vollendet. Von politischer Seite ist zwar zu vernehmen, dass die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU weiterhin aufrechterhalten werden sollen und es keine gravierenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt geben soll. Und doch ist es ein Schritt von „europäisch“ zu „britisch“. Die Botschaft lautet: Ein Staat allein ist stärker als viele zusammen. Doch wie wirkt sich dieser Wandel auf den Profisport und seine Akteure aus?
Folker Hellmund ist Leiter des EU-Sport-Büros in Brüssel, das zum Europäischen Olympischen Komitee gehört. Er vermittelt zwischen den nationalen olympischen Komitees und dem europäischen Dachverband. „Auf Spitzensportler und Angestellte von Vereinen und Verbänden dürften zunächst keine großen Veränderungen zukommen, sofern sie über das EU-Settlement-Scheme den sogenannten „Settled Status“ erhalten haben“, sagt Hellmund. „Wer länger als fünf Jahre am Stück in Großbritannien gelebt hat, erhält diesen Status und kann auf unbegrenzte Zeit in Großbritannien leben und arbeiten. Wer weniger als fünf Jahre am Stück in Großbritannien gelebt hat, erhält den „Pre-Settled Status“. Er ermöglicht, weitere fünf Jahre in Großbritannien zu leben und zu arbeiten.“ In dieser Hinsicht sollten also keine Nachteile für Betroffene entstehen, aber wie reagieren sie auf den Brexit?
Jürgen Klopp ist bekannt dafür, die Dinge deutlich auszudrücken: „Ich warte immer noch darauf, dass mir jemand den ersten Vorteil des Brexits erklärt. Was verbessert sich wirklich? Vielleicht habe ich es nicht gelesen, weil ich mich zu viel mit Fußball beschäftige, aber ich erinnere mich nicht an viel, um ehrlich zu sein“, sagte er der „Sportschau“. Dabei muss der Trainer des FC Liverpool keine Angst haben, mit seiner Mannschaft den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren. Die englische Premier League wird wohl keinen großen sportlichen Einbruch erleben und weiterhin eine der erfolgreichsten Ligen im europäischen Klubfußball sein, da die neuen Regelungen zur Arbeitserlaubnis die Vereine aus der Premier League nicht daran hindern werden, weiterhin Topstars aller Länder zu verpflichten. Die Aussage spiegelt allerdings ein wenig die Stimmung der Beteiligten, zumindest in der Fußballwelt, wider. Ungewiss bleibt, ob sich Erfolgsgeschichten wie die Aufstiege der Teams aus Huddersfield und Norwich, die vor zwei und vier Jahren aus der zweiten in die erste Liga aufgestiegen sind, wiederholen. Diese Teams hatten viele Profis aus der Europäischen Union unter Vertrag, die nicht unbedingt zu den Bekanntesten gehörten, also nicht von Topvereinen kamen und keine Nationalspieler waren. Denn laut Hellmund werden es Profifußballer künftig schwerer haben als andere Sportler, eine Arbeitserlaubnis in Großbritannien zu erhalten. Für Spieler, die aus dem EU-Raum ins Vereinigte Königreich wechseln wollen, wurde ein Punktesystem eingeführt, das sich aus Einsätzen in Nationalmannschaft und europäischen Wettbewerben sowie der Qualität der Herkunftsliga zusammensetzt. Nationalspieler wie Timo Werner und Kai Havertz, die im vergangenen Sommer aus der Bundesliga zum FC Chelsea gewechselt waren, hätten sich daher auch in Zukunft keine Sorgen über ihren Wechsel machen müssen. Während die meisten Spieler von Huddersfield und Norwich, die aus unterklassigen europäischen Ligen kamen, die vorgegebene Mindestpunktzahl von 15 Punkten nicht erreicht und somit nie in England angeheuert hätten. „Die FA, der höchstrangige Fußballverband in England, begründet dies damit, einheimische Talente stärker fördern und ihnen bessere Chancen ermöglichen zu wollen“, so Hellmund. Die Unterstützung junger englischer Spieler soll so gesichert werden, ob dadurch allerdings die Qualität in den unteren Ligen steigt, bleibt abzuwarten. „Englischen Profivereinen wird es gemäß FIFA-Regularien nicht mehr erlaubt sein, U18-Fußballspieler aus der EU unter Vertrag zu nehmen. Für U21-Spieler wird es Begrenzungen geben“, sagt Hellmund, diese Regel hemme die sportliche Wettbewerbsfähigkeit der englischen Klubs. Der Leistungsunterschied zwischen der ersten und den niedrigeren Ligen könnte zunehmen. Für andere Sportarten gibt es ein solches Punktesystem noch nicht. Sportler müssen auch in Zukunft nur die Bedingungen, die unter dem „Sportsperson Visa“ und dem „Temporary Worker – Creative and Sporting Visa“ gelistet sind, erfüllen. Dabei handelt es sich jeweils um Visa speziell für Spitzensportler und Trainer. Es wird ein „Sponsorship Certificate“ benötigt, das der für die jeweilige Sportart zuständige Dachverband in Großbritannien ausstellt.
Der Besuch von Sportevents in Großbritannien wird für EU-Bürger auch in Zukunft möglich sein. Für sie gilt, dass sie bis zu sechs Monate ohne Visum in Großbritannien bleiben können, vorausgesetzt sie arbeiten nicht dort. Reisen zu der Fußball-Europameisterschaft im Sommer oder zu der Darts-Weltmeisterschaft im Dezember und Januar jeden Jahres, beides Magnete für deutsche Sportfans, sind weiterhin möglich. Nur wird künftig ein Reisepass benötigt. Doch mittel- und langfristig, vermutet Folker Hellmund, könnte das Vereinigte Königreich, abhängig von den ökonomischen Folgen und der technischen Umsetzung des Brexits, seinen Reiz als Austragungsort von Sportgroßveranstaltungen verlieren – insbesondere bei Events ohne Fußball-Bezug. Dem Sport auf der Insel stehen also unsichere Zeiten bevor.
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