Einschränkung der Menschenrechte, widrige Arbeitsbedingungen, klimatische Extremzustände – kurz gesagt: Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar.
Fifa-Präsident Gianni Infantino hat erneut die Kritik an WM-Gastgeber Katar zurückgewiesen. Beim Kongress der Europäischen Fußball-Union (UEFA) im Mai in Wien dementierte er die Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen und der aktuellen Situation der Arbeitsmigranten. „Die Fortschritte sind unbestreitbar“, sagt der Chef des Weltverbandes und fügt hinzu, dass „nicht alles perfekt“ sei. Aber es gehe „in die richtige Richtung“.
Ein kurzer Rückblick: Im Dezember 2010 sorgte die Fifa mit der Bekanntgabe, die Fußball-WM 2022 nach Katar zu vergeben, für den nächsten großen Skandal ihrer Geschichte. Viele Experten waren sich sicher, dass die WM an Mitbewerber USA gehen würde.
Für eine Neuvergabe oder gar eine Absage ist es längst zu spät, denn die Fifa musste sich einiges zurechtbiegen, damit das prestigeträchtige Turnier erstmals im Wüstenstaat Katar stattfinden kann. Da im Sommer Temperaturen von bis zu 50 Grad im Schatten erreicht werden, verlegt der Fußballweltverband die WM in den milderen Winter. Insbesondere für die europäischen Ligen bedeutete das ein enormes Ärgernis: Sie mussten ihre Spielpläne umwerfen, um Platz für die WM zu machen. Die Entscheidung für das Winterturnier geht auch auf Kosten der Spieler: Statt einer Winterpause gibt es für sie höhere Belastungen und weniger Regenerationszeit.
Das alles ist aber noch nichts, blickt man auf die Arbeitskräfte und Einwohner Katars. Das Bild eines weltoffenen und toleranten Gastgeberlandes, das die Fifa und Katar gerne bemühen, verfliegt dann schnell. Die weit verbreitete Ausbeutung der Gastarbeiter nimmt Ausmaße an, wie es sie in Deutschland im 19. Jahrhundert gab. Demnach arbeiten Gastarbeiter in einigen Firmen mehr als 72 Stunden in der Woche, sind in Massenunterkünften untergebracht und erhalten nach scharfer Kritik der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ gerade einmal 230 Euro im Monat.
Doch dass am Monatsende das Geld nicht reicht, ist noch eine verhältnismäßig kleine Gefahr, was sonst auf den Baustellen droht: der Tod. Im Februar 2021 berichtete die englische Zeitung „The Guardian“ über die Arbeitsbedingungen in Katar. Zu diesem Zeitpunkt waren über 6500 Todesfälle in Zusammenhang mit der WM bekannt. Rund zehn Monate später spricht die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ von über 15.000 toten Gastarbeitern, hauptsächlich aus Indien, Nepal und Pakistan. Zuletzt berichteten Beobachter, dass sich die Lage der Gastarbeiter in Katar verbessert haben soll. Für die Fifa und Katar eine willkommene Gelegenheit, die scharfe Kritik für einen Moment beiseitezuschieben. Bei den Menschenleben, die für diese Wüsten-WM geopfert wurden, macht die Fifa ihre ganz eigene Rechnung auf. „Nur“ 35 sollen es laut des Weltfußballverbands gewesen sein. Fest steht: Jeder Mensch, der für den Bau eines Fußballstadions sterben muss, ist einer zu viel. Doch der Fifa ist es wichtiger, die WM als Produkt zu vermarkten und sie hochzujubeln.
Mit dem Näherrücken des Turniers werden die Stimmen für einen engagierten Protest gegen die Fußball-WM wieder lauter. Weltweite Protestaktionen und Demonstrationen machen auf die dunkeln Seiten dieser WM aufmerksam. Im Gastgeberland Katar werden diese Proteste der Arbeitskräfte jedoch konsequent von Tamim bin Hamad Al Thani, dem Staatsoberhaupt des Emirates Katar, unterdrückt. Dabei schränkt die absolutistische Monarchie die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit der Gastarbeiter und Einwohner ein, um Aufstände oder gar eine Rebellion zu verhindern.
Es ist eindeutig: Katar will über die Missstände im eigenen Land hinwegtäuschen und das Image mithilfe des Sports aufbessern: offensichtliches Sportswashing. Dass die Fußball-WM aber aufgrund der Einschränkungen von Menschenrechten und der Situation der Gastarbeiter als eine der strittigsten Großveranstaltungen der Geschichte gelten wird, ist nicht zu leugnen. Vielleicht vergleichbar mit der WM 1978 in Argentinien, wo die Militärdiktatur Zehntausende ermorden ließ und trotzdem um den Weltpokal gekickt wurde.
Eine WM unter solchen Bedingungen sollte nicht unterstützt werden, denn die Toleranz und Weltoffenheit, die Weltmeisterschaften auszeichnet, haben ihren Weg nicht nach Katar gefunden. Deshalb sollten die Fernseher in Deutschland bei dieser WM ausgeschaltet bleiben.
- Fußballfans sollten die WM boykottieren - 29. Juni 2022