Alina Böhm ist eine erfolgreiche Judoka. Lang ist ihre Liste an sportlichen Erfolgen: In der Altersklasse U18 wurde Böhm 2015 Deutsche Meisterin, Europameisterin und Vize-Weltmeisterin. Zwei Jahre später konnte sie sich den ersten Platz beim U21 European Cup in Prag (Tschechien) sichern. Mittlerweile kämpft die 24-Jährige in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm und erzielte mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Europameisterschaften 2022 in Sofia (Bulgarien) ihren bislang größten sportlichen Erfolg. Neben ihrer Judo-Karriere studierte Alina Böhm Sportwissenschaft mit dem Profil Sportpublizistik an der Universität Tübingen, plant ein Masterstudium an der DSHS Köln und ist Sportsoldatin bei der Bundeswehr.
Spitzensportler haben es nicht leicht, die richtige Balance zwischen Sport, körperlichem und seelischem Wohlbefinden zu finden. Oft werden Signale des Körpers ignoriert – Verletzungen sind die Folge. Auch Alina Böhm machte hiermit ihre Erfahrungen. „Dadurch, dass ich nicht auf meinen Körper hörte, habe ich mir 2017 das Kreuzband gerissen und konnte so ein ganzes Jahr nicht richtig trainieren.“ Grund war nicht, dass sie sich zu sehr auf den sportlichen Erfolg fokussierte, sondern sie zu diesem Zeitpunkt ihre körperlichen Grenzen nicht ausreichend kannte. Zwar zwangen sie ihre Trainer zu nichts, sie haben sie aber trotz körperlicher Beschwerden weiter trainieren lassen. „Ich habe in meinem Leben schon mit vielen Trainern zusammengearbeitet. Momentan arbeite ich zum Glück mit sehr rücksichtsvollen und erfahrenen Trainern zusammen“, erklärt die Judoka. Heute kennt Alina Böhm ihre körperlichen Grenzen. „Mittlerweile weiß ich, wann Stopp ist, nachdem ich mir ein zweites Mal mein Kreuzband gerissen habe.“ Auf den eigenen Körper hören, sich eingestehen, wann eine Pause notwendig ist und die stetige Kommunikation mit den Trainern – dies ist, so Böhm, besonders wichtig im Spitzensport.
Durch den Sport kann nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern auch das Privatleben zu kurz kommen. „Es passiert häufig, dass ich das soziale Leben hinten anstellen muss“, bestätigt Böhm. Ein Blick in ihren Alltag zeigt einen disziplinierten Trainings- und Ernährungsplan. Außerdem wird ihr Leben von Lehrgängen der Bundeswehr bestimmt, bei der sie als Sportsoldatin tätig ist. Wettkämpfe an den unterschiedlichsten Orten der Welt sind für sie normal. So nahm sie November 2021 an einem Wettkampf in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) teil. So viel wie Alina Böhm reist, können sich die meisten jungen Erwachsenen in ihrem Alter nur erträumen. Bleibt bei so einem durchgeplanten Alltag noch Zeit für Familie und Freunde? „Ich habe es leider schon oft erlebt, dass Menschen für meinen Lebensstil kein Verständnis haben. Ich glaube, dass für viele eine Leistungssportlerin als Freundin keine Option ist.“

Alina Böhm ist es nicht möglich, überall dabei zu sein, aber auch sie kann sich Zeit für wichtige private Angelegenheiten und Feiern nehmen. „Das muss man mit den Trainern absprechen und dann funktioniert das Ganze“. Auch Böhms Lebenspartner ist professionell im Judosport tätig und hat somit einen ähnlichen Tagesablauf wie seine Freundin. „Er kann das immer am besten nachvollziehen, weil er genau das Gleiche macht wie ich. So können wir uns gegenseitig unterstützen.“
Freunde und Familie, die sie auf ihrem Lebensweg begleiten, sind für Alina Böhm besonders wichtig. Trotz eines durchgeplanten Alltags bemüht sie sich soziale Kontakte zu pflegen. Dass sie diese nicht verloren hat, ist der Toleranz ihrer Mitmenschen und ihrer eigenen optimalen Zeiteinteilung zu verdanken. „Ich kann mir aber vorstellen, dass das Privatleben anderer Sportler wirklich zu kurz kommt, wenn die Bedingungen nicht stimmen oder der Leistungsdruck zu hoch ist.“ Trotzdem fällt es der 24-Jährigen oftmals schwer, beispielsweise die Einladung zu einem Geburtstag von Freunden abzusagen. „Ich würde zwar gerne auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen, aber da musste ich Disziplin entwickeln!“
Böhm scheint den Spagat zwischen Sport und Privatleben sowie hartem Training und Wohlbefinden gut zu meistern. Die jahrlangen Erfahrungen im Spitzensport helfen ihr dabei. „Früher war ich oft zu schüchtern, etwas zu sagen, aber mit meiner jetzigen Erfahrung kann ich ganz anders mit kritischen Situationen im Leistungssport umgehen. Ich bin bereit für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.“
- „Ich bin bereit für die Olympischen Spiele 2024“ - 26. August 2022