Einmal in der ausverkauften Audi Field Arena für D. C. United spielen. Trainiert zu werden von dem ehemaligen Fußballstar Wayne Rooney. Um das zu schaffen, ging Luis Lehr im Sommer 2020 einen mutigen Schritt: Ein Studium in den USA, finanziert durch ein Sportstipendium. Der heute 22-Jährige kickte in der Jugend für den SV Sandhausen und den SV Waldhof Mannheim. Nun tritt er für die Uni-Mannschaft in Washington gegen das runde Leder. Lehr ist einer von 120.000 College-Sportlern, die gefördert werden. Doch es gibt keine Angaben darüber, wie viele es tatsächlich in den Spitzensport schaffen.
Die US-Colleges locken immer mehr deutsche Sport-Talente. Marathon-Läufer Timo Göhler, Zehnkampf-EM-Kandidat Luca Wieland und der deutsche Schwimm-Rekordhalter Timo Göhler haben ihre Karriere durch ein Stipendium in den USA vorangetrieben. Auch der deutsche Basketballer Moritz Wagner, der bei den Orlando Magic in der nordamerikanischen Profiliga NBA unter Vertrag steht, ist für ein Sportstipendium in die USA gegangen. Zuvor spielte er für ALBA Berlin, der ehemalige Sportdirektor Mithat Demirel bezeichnete diesen Abgang als bedauerlich. Auch Sportverbände in Deutschland sehen es ungern, wenn Talente sich anderswo entwickeln. Sven Baumgarten, Projektleiter Duale Karriere im Geschäftsbereich Leistungssport des DOSB, erklärt gegenüber der Rheinischen Post, dass es sich bei den Bundeskaderathleten aber nur um Einzelfälle handele.
In Deutschland versuchen viele über ein Sportstipendium in die USA zu gelangen, da so die anfallenden Kosten voll oder teilweise gedeckt werden. Ansonsten muss man 20.000 bis 50.000 Euro pro Jahr selbst in die Hand nehmen, um das Studium möglich zu machen. Allerdings bekommen nur drei bis vier der besten Spieler einer Mannschaft ein Stipendium. Die Trainer haben nur ein gewisses Budget zur Verfügung, weshalb auch Teilstipendien mit beispielsweise einer 60-prozentigen Kostenübernahme vergeben werden. Neben der Hochschulreife sowie einigen sprachlichen Qualifikationen wie dem Toefl-Test benötigen die angehenden Studenten natürlich sportliche Qualitäten. Letztendlich entscheidet der Trainer einer Mannschaft, welche Bewerber ein Sportstipendium erhalten und in welcher Höhe dieses finanziert wird. Aus diesem Grund wenden sich viele Interessenten an Agenturen, die bei der Vermittlung helfen können. Dabei wird häufig ein Highlight-Video erstellt, um die Chancen zu erhöhen.
Ein Highlight-Video nutzte auch Luis Lehr, um den Sprung in die USA zu schaffen. Mit Hilfe einer Vermittlungsagentur erhielt er einen Bachelorstudienplatz im Studienfach Business an der George Mason Universität in Washington. Gleichzeitig tritt er für die Fußball-Unimannschaft im Mittelfeld an. Lehr, der in der Jugend dem SV Sandhausen und den SV Waldhof Mannheim angehörte und als Aktiver der zweiten Mannschaft des SV Sandhausen in der Oberliga spielte, ist dieser Schritt nicht leichtgefallen. Er ging zwei Jahre nach seinem Abitur im Alter von 20 Jahren nach Amerika. „Ich würde meine Entscheidung als mutig bezeichnen, da ich mein gewohntes Umfeld, meine Familie, meinen Freundeskreis sowie meine Kultur verlassen habe“, erklärt der 22-Jährige. Die Möglichkeit, über eine US-amerikanische Universität den Einstieg in eine Profikarriere zu schaffen, ließen seine anfänglichen Zweifel schnell verfliegen. Auch die Aussicht auf ein Studium parallel zum Sport bestärkten ihn in seiner Entscheidung: „Mir ist ein guter Hochschulabschluss sehr wichtig, da er für mich eine Absicherung ist, falls es mit der Profi-Fußballkarriere nicht klappen sollte“, erzählt der Mittelfeldspieler. Gleichzeitig sieht er durch sein Engagement bei der Unimannschaft ein großes Potential darin, den US-amerikanischen Fußball weiterzuentwickeln. Lehr bezeichnet das Niveau des gespielten Unifußballs in Amerika als „athletischer“ und „intensiver“ und vergleicht es mit der Herren-Verbandsliga in Deutschland.
Im Gegensatz zu Lehr verfolgt Laurenz Flender keine Profikarriere in den USA. Der 21-jährige Tennisspieler aus Wiesloch studiert am Holy Cross College in Notre Dame im Bundesstaat Indiana Computer Science. Seit zwei Jahren gehört er dem Männertennisteam an. „Ich habe einfach Spaß am Tennis, möchte mein Potential hier voll ausschöpfen und leistungsorientiert spielen“, erklärt er seine Entscheidung, in die USA zu gehen. Auch er nutzte eine Agentur, um in die USA zu kommen und konnte somit verschiedene Universitäten kennenlernen. „Meine Agentur hat ein Netzwerk in den USA, wodurch ich den Coach meiner Uni kennengelernt habe.“ Gerne möchte er länger bleiben, um noch ein Masterstudium anzuschließen. Dass ein längerer Aufenthalt nicht in allen Fällen klappt, weiß auch der Wieslocher. Er geht davon aus, dass ein längerer und erfolgreicher Aufenthalt von der Universität abhängt, die zu einem passen müsse. „Ich habe viele Tenniskollegen, die nach einem halben Jahr wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind“, sagt Flender. Das liegt laut Flenders daran, dass es zu Unstimmigkeiten mit der Universität oder dem Team gekommen sei. Daher rät er allen, die sich für ein Sportstipendium in den USA interessieren, sich im Vorfeld über Universitäten und Teams gut zu informieren und mit vielen zu sprechen, die bereits eine derartige Auslandserfahrung sammeln konnten.
Luis Lehr rennt nach zwei Jahren College-Fußball die Zeit etwas davon und die Chancen, den Sprung in den Profi-Sport zu schaffen, werden von Jahr zu Jahr geringer. Dennoch ist Lehr überzeugt, dass es für ihn die richtige Entscheidung gewesen ist. Daher empfiehlt er anderen Sportlern, die ebenfalls mit diesem Gedanken spielen, die eigene Komfortzone zu verlassen: „Einfach mal ins kalte Wasser springen und den Schritt wagen“. Nach seinem Bachelorabschluss möchte er ein Masterstudium in den USA anhängen. Natürlich wieder an einer Universität mit einer Fußballmannschaft, um vielleicht doch noch seinen Traum verwirklichen zu können.