Durch American Football ein unabhängiges Leben ohne Sorgen und in Wohlstand führen – für viele junge Amerikaner ist dies der große Traum. Doch der Weg von der High School über eine Universität bis zu einem Profi-Vertrag ist lang und hart. Und bis zur Auszahlung des ersten Gehaltschecks wird den Spielern auf die Finger geschaut. Strenge Regeln bestimmen den Alltag der Student Athletes.
Josh Huff wollte einfach nur mit Freunden seinen Geburtstag feiern. Der 22-Jährige ist Senior an der University of Oregon in Eugene und außerdem einer der Stars des American-Football-Teams der Universität. Via Twitter gab er wenige Tage vor seiner geplanten Geburtstagsfeier bekannt, dass diese ausfallen müsse: „Sorry Leute, ich kann meine Party wegen der NCAA nicht feiern. Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten! Meine Party fällt aus.“ Weil Josh Huff von seinen Gästen einen geringen Betrag zur Deckung der Getränke- und Essenskosten eingesammelt hatte – wie durchaus gängig in den USA –, ließ der College-Sportverband kurzerhand die Party absagen. College-Athleten dürfen kein Geld verdienen. Die Möglichkeit, dass Huff Profit aus dem eingesammelten Geld hätte ziehen können, war der NCAA (National Collegiate Athletic Association) zu groß. Deshalb klagte er sein Leid über das soziale Netzwerk: „Also ist es in Ordnung für die NCAA, Geld mit meinem Namen zu verdienen, aber sobald ich Eintrittsgeld für meine Party verlange, ist es ein Problem? Verrückt.“
Josh Huff wurde vom mächtigsten amerikanischen Studentensportverband zurechtgewiesen. Er ist kein Einzelfall.
Die NCAA betreut die größten an amerikanischen Universitäten betriebenen Sportarten, dazu gehören neben Volleyball und Leichtathletik unter anderem auch die zwei Giganten Basketball und American Football. Das Medien- und Zuschauerinteresse an diesen ist riesig, die Einschaltquoten und Zuschauerzahlen liegen oft höher als bei den Profiligen NBA und NFL. In Fanshops der College-Mannschaften werden Trikots, Shirts und andere Fanartikel verkauft, Ticketpreise zu Division I-College Football-Spielen liegen im hohen zweistelligen Bereich und für TV-Rechte zahlen Fernsehsender viele Milliarden. Damit scheffelt die NCAA richtig Geld. Doch was passiert mit diesem Geld, das der Verband, wie von Josh Huff beschrieben, mit der Leistung der Sportler verdient?
Die NCAA stellt sich als Non-Profit-Organisation dar. Die attraktiven Sportarten American Football und Basketball versorgen den Verband mit Beträgen in Milliardenhöhe (10,8 Milliarden Dollar für die TV-Rechte an der NCAA Basketball March Madness, den College Playoffs). Nur sie bringen Gewinn. Mit diesem werden kleinere Sportarten finanziell getragen. So steht es zumindest auf der Website des Verbands. Gleichzeitig schreibt die NCAA vor, dass College-Athleten kein Geld verdienen dürfen, da sie sonst als Profis gelten. Auf dem Papier war College-Sport schon immer ein Amateurgeschäft – schwer zu glauben, wenn man heute das blühende Merchandising, die ausverkauften Stadien und immer höher steigende TV-Gelder sieht.
Genau wie im Profibereich verehren Fans die Spieler. Sie identifizieren sich mit ihren Idolen. Der Unterschied: Auf keinem verkauften Trikot eines College-Teams darf der Name eines Spielers stehen, einzig die Trikotnummer erlaubt eine Zuordnung. Gleiches gilt für die Videospiel-Variante des amerikanischen College Footballs, NCAA Football. Kein einziger Spielername ist im Spiel vorhanden, Josh Huff von den Oregon Ducks beispielsweise wird im Spiel lieblos als die No. 1 dargestellt. Warum so unpersönlich?
Die Athleten haben keinerlei Recht an ihrem eigenen Namen, solange sie an einer Universität eingeschrieben sind und NCAA-Sport betreiben. Sie dürfen daher kein Geld mit ihrem Namen verdienen, was der Fall wäre, würde dieser auf einem Trikot stehen oder gar in einem Videospiel erscheinen. Seltsam bloß, dass im NCAA-Onlineshop zeitweise per Suchfunktion mit Eingabe eines Spielernamens dessen Trikotnummer auf dem Bildschirm aufleuchtete.
Die NCAA stellt strikte Regeln auf und hält sich selbst nicht daran. Und die Einschränkungen gehen noch weiter. Dominic Artis und Ben Carter spielen Basketball für die Oregon Ducks in der höchsten College-Spielklasse. Vor der Saison verkauften sie einige ihrer von der Universität zur Verfügung gestellten Basketball-Schuhe für insgesamt 1800 Dollar über das Internet. Die NCAA bekam Wind davon und sperrte Artis und Carter für die ersten neun Saisonspiele.
In einem weiteren Beispiel signierte College-Football-Superstar Johnny Manziel von der Texas A&M University 4400 Autogrammkarten für einen Makler. Manziel ist das Aushängeschild im amerikanischen College Football, er gewann in der Saison 2012 die Heisman-Trophy, die höchste individuelle Auszeichnung für einen College-Football-Spieler – und das in seinem ersten Jahr. Aus Sicht der NCAA ebenfalls ein Vergehen, da die Menge der Autogramme einen kommerziellen Zweck erahnen ließ. Ob der Athlet Geld dafür bekam, konnte nicht festgestellt werden. Manziel kam mit einer vergleichsweise milden Sperre davon. Die erste Hälfte des ersten Saisonspiels 2013 durfte er nicht auf dem Spielfeld stehen. Schlussfolgerung: Die NCAA schützt ihre Stars, weil diese für Quote sorgen, Identifikationsfiguren sind und Geld bringen – auch einer Non-Profit-Organisation.
Immer wieder bringen sich College-Athleten in solche Situationen. Die meisten von ihnen, besonders im Basketball und American Football sind Vollstipendianten an ihren Universitäten und in kostspielige Athleten-Programme integriert. Sie genießen die Vorteile einer bezahlten Ausbildung inklusive Betreuung, Unterkunft und Verpflegung – im Gleichschritt mit der täglichen Doppelbelastung aus Studium und Sport. Und dennoch werden sie von ihrem Verband, der Jahr für Jahr Millionen durch den Verkauf von Postern, Trikots und Videospielen verdient, ausgeschlachtet. So empfinden dies Josh Huff und viele seiner Kollegen. „College-Athlet sollte wie ein Fulltime-Job behandelt werden“, so Huff, der gleichzeitig unterstreicht, dass er dankbar für sein Stipendium ist.
An diesem Punkt setzt die große Debatte um die Entlohnung der College-Athleten an und bringt viele Fragen mit sich. Ist ein Stipendium genug Bezahlung oder nur gerechtfertigt, da die Sportler mit ihren vollen Terminkalendern keine Möglichkeit für einen Zusatzjob haben, um ihr Studium zu finanzieren? Wer würde die Athleten bezahlen? Erhalten alle dieselben Leistungen, egal ob sie regelmäßig spielen oder nur der vierte Ersatzspieler auf ihrer Position sind? Sollten die 98,3 Prozent der Football-Studenten, die nicht den Sprung zu den Profis schaffen, nicht einen Anteil der Millionen erhalten, die ihre Universität mit ihnen verdient?
Amerikanische Wissenschaftler haben berechnet, dass die Stundenlöhne von Student-Athletes in Form eines Stipendiums zwischen 3,51 und 20,37 Dollar liegen, je nach Höhe der Studiengebühren an ihrer Universität. Kein Vergleich zu den Löhnen der Profis, aber eine Bezahlung. Außerdem erhalten die vielversprechendsten Talente (weniger als 1 Prozent aller College Football-Spieler) unter der Hand monatliche Zahlungen von Sportagenten als eine Art Vorschuss für die spätere Karriere als Profi.
Konflikte können entstehen, wenn es darum geht, wer bezahlen soll. Universitäten haben unterschiedliche Etats, nicht alle haben einen finanzkräftigen Sponsor im Rücken wie beispielsweise die University of Oregon in Person von Nike-Gründer Phil Knight. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ein Stammspieler möglicherweise mehr Lohn fordert als Reservisten. Rufe werden laut, dass NCAA und Profiverbände für die Bezahlung aufkommen sollen, da sie von den Sportlern im großen Stil profitieren. Universitäten und Ligen verdienen ebenfalls an ihren Student-Athletes.
Josh Huff erhält einen Stundenlohn von umgerechnet weniger als vier Dollar. Er versteht nicht, warum die NCAA das Geld, das sie auch aufgrund seiner Leistungen erhält, nicht in die Bezahlung von Athleten investiert oder warum er nicht den studentischen Teil seines College-Athleten-Daseins ohne Einschränkungen leben darf. In einem Punkt jedoch ist der Verband machtlos. Die geplante private Party kann er Huff verbieten, nicht jedoch das Recht auf freie Meinungsäußerung, wie es zum Studentenleben ebenfalls gehört. Mit dem Verbot der Geburtstagsparty jedenfalls hat die NCAA eine wohl endlose Diskussion wieder angestoßen. Eine Party zu Josh Huffs Geburtstag fand letztendlich dennoch statt, jedoch nicht von ihm privat organisiert, sondern öffentlich.
In Zukunft könnte es für Josh Huff einfacher werden. Als Senior an der University of Oregon machte er erst vor kurzer Zeit seinen Abschluss. Für ihn als Leistungsträger des Footballteams steht nun sogar die Tür zur Profiliga NFL offen. Dann mit eigenem Lohn. Dann mit dem Recht am eigenen Namen. Und dann auch mit dem Recht auf eine eigene Geburtstagsparty.
Maximilian Länge
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