Maurizio Gaudino ist ehemaliger Fußballspieler und -trainer. In seiner aktiven Laufbahn spielte er unter anderem für den VfB Stuttgart, mit dem er 1992 die Deutsche Meisterschaft gewann. Insgesamt kam der Mittelfeldspieler auf 294 Bundesligaeinsätze. Im Jahr 1993 debütierte er in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und brachte es dort auf fünf Einsätze. Seit 2007 ist Gaudino in der Spielerberater-Branche tätig. Er betreut beispielsweise seinen Sohn Gianluca Gaudino und Boris Vukcevic. Die SportSirene sprach mit dem 48-Jährigen über den oft so negativ dargestellten Beruf des Spielerberaters.
Herr Gaudino, wie wurden Sie Spielerberater?
Uli Ferber hat mich gebeten, darüber nachzudenken, Spieler zu betreuen. Ich habe das dann zehn Monate zusammen mit ihm auf Probe gemacht. Jetzt bin ich seit über zehn Jahre im Geschäft tätig. Seit knapp fünf Jahren habe ich nicht mehr diese Partnerschaft, sondern meine eigene Agentur. Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern betreuen wir eigene Spieler.
Stellen Sie uns Ihren Beruf vor. Was sind Ihre Aufgaben?
Zunächst kommt es darauf an, ob man Spielerberater oder Spielervermittler ist. Der Spielervermittler wird nur alle sechs Monate in den Transferperioden wichtig. Wir als Spielerberater versuchen, Spieler in jungen Jahren, im Alter von 15 oder 16, für unsere Agentur zu gewinnen, um dann mit ihnen intensiv zu arbeiten. Dabei wollen wir die Stärken der Spieler optimieren und die Schwächen minimieren.
In den Medien kursiert öfter der Begriff „Spieler-Rundumbetreuung“. Was hat es damit auf sich?
Wir kümmern uns quasi rund um die Uhr um die Spieler. Neben den zusätzlichen Trainingseinheiten sprechen wir auch mit dem Trainer oder den Verantwortlichen des Vereins, wenn es Probleme gibt. Wir versuchen alles von den Spielern fernzuhalten, sodass sie sich auf das Fußballspielen konzentrieren können. Außerdem versuche ich, meine Erfahrungen, die ich selbst als Spieler und Spielerberater gemacht habe, an die Spieler und deren Familien weiterzugeben.
Hat sich das Anforderungsprofil eines Spielerberaters über die Jahre hinweg, im Vergleich zu Ihrer Zeit als aktiver Fußballer, verändert?
Ja, natürlich. Im Vergleich zu meiner Zeit hat sich das Anforderungsprofil komplett verändert. Früher gab es die reinen Vermittler, die die Spieler angerufen haben, um ihnen mitzuteilen, dass sie einen neuen Verein gefunden haben. Bei mir war das Wolfgang Fahrian, der meine Transfers von Mannheim nach Stuttgart und von Stuttgart nach Frankfurt eingefädelt hat. Mit 28 Jahren habe ich mich selbst um meine Angelegenheiten mit einem Freund aus meiner Frankfurter Zeit und einem Steuerberater, der im Übrigen noch heute in meiner Firma arbeitet und Spieler betreut, gekümmert. Dort habe ich auch die ersten Erfahrungen in diesem Beruf gesammelt. Heute arbeiten die meisten Agenturen gerade in dieser Betreuung, die ich beschrieben habe.
Haben Sie es als Ex-Fußballprofi einfacher als Spielerberater, weil man Sie in der Branche kennt?
Das glaube ich nicht. Auf der einen Seite ist es von Vorteil, wenn man vom Fach ist und sich in der Fußball-Branche auskennt. Man hat nicht die Berührungsängste, die möglicherweise ein Berater mitbringen würde, der neu in dem Geschäft ist. Letztendlich geht es aber darum, wie gut das Produkt ist und wie sich das Produkt präsentiert. Der Verein soll die Qualität des Spielers bewerten und davon überzeugt sein, dass er alles mitbringt, um den Verein weiterzubringen. Deals sollten also nicht aus Höflichkeit eingefädelt werden, nur weil man mit einer Person zusammengespielt hat.
Aber Beziehungen können doch von Nutzen sein?
Ja, Beziehungen und Kontakte sind immer wichtig. Wenn man aus dieser Branche kommt, hat man die Kontakte, aber es sollte niemals dazu führen, dass man aufgrund von Kontakten seine Spieler unterbringt. Das Gesamtpaket muss stimmen. Der Verein muss von dem Spieler überzeugt sein und der Spieler von dem Weg des Vereins.
Was ist außerdem in dieser Branche wichtig?
Wichtig ist das ehrliche Umgehen untereinander. Dass man auch einem Spieler sagt, dass es zum Profi nicht reicht und dass er einen anderen Weg einschlagen muss. Ich sage zu meinen Spielern immer, dass sie es bis zum 23. Lebensjahr geschafft haben müssen, ansonsten muss man zweigleisig fahren und schauen, dass der Spieler studiert oder eine Ausbildung macht.
Und wie sieht das mit den ganz jungen Spielern aus, die noch zur Schule gehen?
Wir geben unseren Spielern immer mit auf den Weg, auf jeden Fall zweigleisig zu fahren. Wir haben momentan einen Spieler, der in der Endphase seines Abiturs steckt. Wir hatten letztes Jahr schon die Möglichkeit, ihn zu einem Profi-Club zu transferieren. Das hätte aber bedeutet, dass er seine Schule hätte abbrechen muss. Daher haben wir geraten, dass er zunächst seinen Abschluss macht. Dann hat er das in der Tasche und kann sich danach auf Fußball konzentrieren. Sollte er es nicht zum Profi schaffen, kann er später immer noch studieren. Das Ding ist aber auch, dass die Leute nur die Topstars sehen, die sehr viel Geld verdienen. Nimmt man einen Spieler aus Augsburg, um nur ein Beispiel zu nennen, der dort zehn Jahre lang spielt, dann verdient der verhältnismäßig viel Geld. Das heißt aber noch lange nicht, dass er bis 65 nicht mehr arbeiten muss. Das sind alles Dinge, die wir unseren Spielern beibringen.
Das heißt, das Vertrauen der Spieler in die Berater ist essentiell?
Klar. Das Vertrauen beruht aber auf Gegenseitigkeit. Einerseits muss der Berater dem Spieler vertrauen, dass dieser seine Trainingseinheiten und Vorgaben umsetzt. Andererseits muss der Spieler in die Vorgaben und Tipps des Beraters vertrauen, um sich optimal weiterentwickeln zu können.
Wird in der Spielerberater-Branche das gegenseitige Vertrauen nicht oft ausgenutzt, da es ja häufig zu Abwerbungen von Spielern unter Beratern kommt?
Ja, das kann man nicht verhindern. Das ist dann aber auch Charaktersache der Spieler. Ich finde, wenn eine Abwerbung auf eine ehrliche Art und Weise geschieht, dann ist das in Ordnung. Man fängt mit der Betreuung der Spieler ja schon an, wenn sie erst 15 oder 16 sind. Da kann es auch mal sein, dass ein Spieler herkommt und sagt, ich würde gerne mit jemand anderem zusammenarbeiten. Das Schlimme ist nur, wenn hinter dem Rücken des Beraters abgeworben wird. Das ist unangenehm. Aber das ist wie in allen Branchen. Das gibt es überall.
Wie ist, gerade aufgrund dieser Abwerbungen, das Verhältnis der Spielerberater untereinander?
Das ist wie in jeder Branche. Mit den einen Kollegen versteht man sich gut, mit dem anderen nicht so gut. Aber ich beschäftige mich, um ehrlich zu sein, nicht wirklich mit anderen. Ich habe meine eigene Agentur und meine eigenen Spieler. Das ist wichtig. Was andere Berater machen und wie sie das machen, interessiert mich nicht.
Sie betreuen auch Spieler, die nicht in den deutschen Top-Ligen spielen. Was ist gerade bei Spielern in unterklassigen Ligen wichtig?
Diese Spieler versuchen wir mit spezifischen Trainingseinheiten heranzuführen und gezielt bestimmte Schwächen zu verbessern. Das ist etwas ganz anderes als beispielsweise bei Bundesliga-Jugendspielern. Die trainieren vier- bis sechsmal pro Woche. Da ist alles mit der Schule abgestimmt. In der Oberliga trainieren die Spieler dreimal in der Woche. Allein diese Intensität von Trainingsrhythmen muss ein Spieler verkraften. Oft ist es so, dass die Spieler gerade mit diesen Rhythmen nicht klar kommen, dass sie müde werden und mental in ein Loch fallen. Unsere Aufgabe ist dann, mit den Spielern zu reden und ihnen klar machen, dass das normal ist. Deshalb gilt es für uns, die Ausbildung mit dem Training optimal zu verbinden.
Und bei den Spielern, die es bereits zum Profi geschafft haben?
Dort rücken andere Dinge in den Vordergrund. Insbesondere die Vereinssuche, welcher Verein liefert das beste Gesamtpaket, die Verlängerung von Verträgen und die Suche nach Werbepartnern. In Deutschland ist es auch extrem mit dem Social Media. Das muss alles kontrolliert und überwacht werden. Das ist auf jeden Fall ein riesiger Rattenschwanz, wenn ein Spieler Profi wird.
Was meinen Sie damit?
Ich merke das zum Beispiel bei meinem Sohn. Die ganzen Seiten auf Facebook sind Fake-Seiten. Mein Sohn ist gar nicht auf Facebook. Deshalb müssen sich alle Spieler, die Profi werden, damit auseinandersetzen und sich darum kümmern. Ansonsten werden Sachen über die Medien in die Welt gesetzt, die einfach nicht wahr sind.
Stichwort Medien. In den Medien wird die Arbeit von Spielerberatern häufig negativ dargestellt und den Beratern wird vorgeworfen, dass sie eher hinter dem schnellen Geld her sind, als ihre Klienten ehrlich und gut zu betreuen. Warum existiert dieses Bild von Spielerberatern in den Medien?
Ich denke, das liegt an der Vergangenheit. Ein Berater oder auch ein Versicherungsmakler geben einfach kein gutes Bild, weil sie etwas Vermarkten. Darüber wird in den Medien Politik gemacht. Es gibt, wie in jeder anderen Branche auch, Gute und weniger Gute. Wenn ein Berater etwas Negatives macht, wird das sofort auf alle anderen übertragen. Das Geschäft ist so aufgebläht und es geht um so viel Geld, dass es auch wichtig geworden ist, dass Spieler ihre eigenen Berater haben. Letztendlich geht es darum, fair miteinander umzugehen. Der Kuchen ist so groß, da kann jeder etwas davon haben.
Also hat ein Spieler ohne Berater keine Chance auf eine Profi-Karriere?
Wenn ein Spieler ohne Berater einen Vier-Jahres-Vertrag abschließt, dann können Sie mir glauben, dass er in ein oder zwei Jahren nie mehr allein zu einem Verein geht, weil er verarscht wurde. Wir als Berater stehen eben zwischen den Stühlen. Klar sind wir eher auf der Seite des Spielers, aber man muss sich beide Parteien anhören und sie auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Wichtig ist, dass der Sportler immer im Vordergrund steht und nicht der Berater.
Sollten Berater die Medien nutzen, um die eigenen Spieler in den Vordergrund zu stellen?
Nein, das ist überzogen. Sowieso sind 70 bis 80% der Gerüchte, die in den Medien kursieren, falsch. Das ist einfache Politik, um den Preis in die Höhe zu treiben. Die Medien schreiben insbesondere in der Sommerpause immer gern und viel und setzen Gerüchte in die Welt. Das spielt eigentlich nur den Verhandlungen in die Karten.
Apropos Verhandlungen. Wie laufen die bei einem Spielertransfer ab?
Es kommt immer auf die Bedeutung des Spielers im Verein an. In der Regel fängt der Berater die Verhandlungen mit dem Manager an. Manchmal ist der Trainer dabei. Anschließend führt der Trainer mit dem Spieler ein Gespräch. Darin geht es dann um Taktik, Position, Ziele. Ansonsten ist es der Berater, der den Vertrag, die Ablöse und alles Weitere mit dem Manager durchspricht. Je nach Größenordnung sind dann die sportlichen Verantwortlichen bis hin zum Präsidenten bei den Verhandlungen dabei.
Der Spieler ist also nicht dabei…
Nein. Der Spieler ist nur dann dabei, wenn er das möchte. Es kann auch, wenn erwünscht, ein Familienangehöriger bei den Gesprächen dabei sein, um zu sehen, wie das abläuft. Wir haben bei solchen Verhandlungen nichts zu verbergen. In der Regel macht das der Verein aber immer mit dem Berater allein.
Was waren bisher Ihre größten Transfers?
In meiner alten Firma haben wir die Transfers von Aleksandr Hleb vom FC Arsenal London zum FC Barcelona und von Mario Gomez vom VfB Stuttgart zum FC Bayern München eingefädelt. Das waren Transfers, die in meiner Partnerschaft gelaufen sind.
Wie viel verdient ein Spielerberater bei einem solchen Transfer mit?
Das ist unterschiedlich. Die Vereine zahlen zwischen fünf und zwölf Prozent der Ablösesumme an die Berater aus. Das wird vorher ausgemacht, je nach Bedeutung des Spielers.
Also wird der genaue Prozentsatz vorher ausgehandelt?
Ja. Da gibt es eine Regel, die vom DFB und der FIFA festgelegt ist.
Dass der Betrag zwischen einem bestimmten Prozentsatz liegen muss…
Ja, genau.
Sind das diese fünf bis zwölf Prozent?
Je nach Größenordnung ist das unterschiedlich. Bei großen Vereinen, wenn es um große Transfers geht, sind das fünf, sechs Prozent. Ansonsten geht es auf die zehn Prozent zu.
Wie viel Einfluss haben Sie auf den Spieler bei solchen Verhandlungen und inwieweit bestimmt der Spieler bei einem Vereinswechsel mit?
Wir Berater haben sehr viel Einfluss. Letztendlich entscheidet aber immer der Spieler. Wir Berater versuchen dem Spieler die bestmöglichen Angebote aufzuzeigen und diskutieren mit dem Spieler darüber. Es muss aber ausschließlich um den Spieler gehen. Schade ist es, wenn ein Berater den Spieler in eine Richtung lenkt, durch die er selbst am meisten Profit erzielt. Das bekommt der Spieler nicht mit und das ist traurig.
… also wenn es dem Berater nur um das schnelle Geld geht?
Ja. Das Gesamtpaket aus sportlicher Perspektive, Umfeld etc. ist wichtiger als das Geld, insbesondere bei jungen Spielern, die sich noch entwickeln müssen. Wobei Geld natürlich auch immer eine Rolle bei der Entscheidung spielt.
Die FIFA hat zum 1. April 2015 neue Regeln für Spielervermittlerverabschiedet. Deshalb kann sich im Grunde genommen jeder Spielerberater nennen und den Beruf ausüben. Was halten Sie von diesen Regularien?
Ich habe von diesen Dingen noch nie etwas gehalten, weil es nur etwas ist, um Geld zu machen. Wenn man solche Regeln festlegt, müssen sich alle daran halten. Zuerst war es so, dass man eine Lizenz erwerben musste, aber Anwälte von dieser Regel ausgeschlossen wurden. Ein Anwalt durfte also auch Spielerberater sein, ohne eine Lizenz zu erwerben. Heute darf jeder, der eine Gebühr hinterlegt, einen Transfer tätigen. Das ist genauso schwachsinnig. Da geht es dann wieder nur um das Geld. Deshalb macht das für mich auch keinen Sinn. Entweder erwerben alle eine Lizenz oder keiner.
Haben Sie eine Lizenz?
Nein. Ich habe keine Lizenz. Damals brauchte ich die nicht, weil mein Partner eine hatte.
Was zeichnet Sie persönlich als Spielerberater aus, was ist das Besondere an Ihrer Agentur?
Wir sind eine sehr übersichtliche Agentur. Wir haben jetzt keine 200 bis 300 Spieler. Deshalb können wir gezielt und individuell auf die Spieler eingehen. Wir sind immer für die Jungs da und erreichbar. Außerdem denke ich, dass wir eine gewisse Erfahrung im Fußball mitbringen, die wir den Spielern weitergeben können.
Haben Sie Ziele als Spielerberater für die Zukunft?
Ja. Ich habe mir auch als Fußballer immer Ziele gesetzt, wie z.B. in der Nationalmannschaft zu spielen. Ich will bei meiner Funktion als Berater Spieler entdecken, sie fördern und sie zu gestandenen Bundesligaprofis entwickeln, die eines Tages für die Nationalmannschaft auflaufen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde von Philip Bochinger geführt.
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