Jonathan Wernz war sich bereits vor seinem ersten Training im Mixed Martial Arts (kurz: MMA) sicher, dass er in den Ring steigen und kämpfen möchte. Heute ist der 26-jährige Tuttlinger MMA-Profi und kann auf drei erfolgreiche Profikämpfe zurückblicken.
Die Nummer 25 in der Setzliste der deutschen Mittelgewichtsklasse verrät dem SportSirene-Redakteur Sadik Alkan, wie groß der Einfluss des Muts im MMA ist.
Laut der irischen Zeitung „Mirror 13“ gibt es seit 2007 13 bekannte Todesfälle bei Mixed-Martial-Arts-Kämpfen. Wie gehen Sie als Kämpfer mit dieser Gefahr um?
Die Kämpfer sind bereit bis zum Äußersten zu gehen und dessen muss man sich auch bewusst sein. Man darf nicht in den Kampf gehen und denken, da passiert jetzt nichts.
Das muss man schon im Hinterkopf haben. Aber wenn der „Gong“ ertönt, sind solche Gedanken komplett weg. Ich bin mir aber dieser Gefahren natürlich vollkommen bewusst.
Welche Bedeutung hat Mut im MMA?
Er ist extrem wichtig. Manche Kämpfer sind im Training richtig stark und wenn sie in einem Kampf sind, fehlt ihnen ein bisschen der Mut. Sie rufen nicht das ab, was sie eigentlich können. Du kannst im Training so gut sein wie du willst, aber wenn du es im richtigen Kampf nicht abrufen kannst, wird es halt nichts. Man braucht auf jeden Fall Eier und Mut ist extrem wichtig.
Wie sind Sie zum MMA gekommen?
Ich bin zum MMA durch Freunde gekommen, die auch Kampfsport gemacht haben.
Gleich beim ersten Training habe ich dem Trainer gesagt: „Ich will kämpfen“.
Zuerst hat er mich nicht ernst genommen, aber nach einem Jahr hat er festgestellt, dass ich fleißig trainiere, und so hat das Ganze angefangen.
Wie viel Überwindung hat es Sie gekostet, das erste Mal in den MMA-Ring zu steigen?
Im Training hat es mich keine Überwindung gekostet, aber für den ersten Kampf musste ich schon meinen Mut zusammennehmen.
Wie haben Ihre Eltern darauf reagiert, dass Sie nun MMA betreiben?
Meine Eltern haben mich dabei unterstützt. Meine Mutter war ein bisschen ängstlich, als ich gekämpft habe, aber sie haben nicht zu mir gesagt: „Mach das nicht“.
Was macht MMA so interessant für Sie?
Es kommt einem richtigen Kampf am nächsten.
Beim Boxen sind nur die Hände erlaubt, im Ringen darfst du nicht schlagen, aber im MMA findest du eigentlich am realistischsten heraus, wer der Stärkere im Ring ist.
Auch werden beim MMA viele Disziplinen vereint.
Da es aus Ringen, Boxen, Bodenkampf und Kickboxen besteht, ist es nicht eintönig und diese Vielseitigkeit finde ich cool daran.
Bereits bei Ihrem zweiten Profikampf durften Sie sich auf internationaler Bühne in Abu Dhabi beweisen, was kein gewöhnlicher Start in eine Profikarriere ist. Hat Ihnen dieser Kampf fernab der Heimat vor fremdem Publikum besonders viel Mut abverlangt?
Eigentlich nicht. Also mir ist es egal, ob ich vor fünf oder fünftausend Menschen kämpfe oder ob ich vor der Haustüre oder ganz wo anders kämpfe.
Für mich ist ein Kampf immer ein Kampf, ich bin da immer in der gleichen Stimmung, und
daher hat es für mich keinen Unterschied gemacht.
Komischerweise dachte ich vor meiner Abreise nach Abu Dhabi daran, wie ich wohl damit umgehen werde. Aber es war dann tatsächlich nichts anderes als sonst.
Die Einlaufmusik Ihres dritten Profikampfs war der Song „Junger Adler“ von Tom Astor. Was verbinden Sie mit diesem Lied?
Das Lied habe ich immer mit meiner Oma angehört, das hat mich daran erinnert.
Und weil viele andere Kämpfer mit irgendwelchen Rap-Liedern einlaufen, wollte ich etwas anderes machen.
Ich bin auch schon zu Rap-Liedern eingelaufen, aber ich dachte mir, man müsste mal einen frischen Wind reinbringen. (lacht)
Ich zitiere aus der ersten Strophe dieses Liedes: „Doch zeig niemals falschen Mut, sei auf der Hut“. Lässt sich diese Aussage auch auf MMA übertragen?
Ja, auf jeden Fall. Hochmut kommt vor dem Fall, das ist im MMA auch so.
Klar muss man mutig sein, aber man muss auch die Angst annehmen und darf jetzt nicht so tun, als wäre nichts, auch vor dem Trainer nicht. Man sollte schon ehrlich zu sich sein und vielleicht kann man sich dann auch von der Angst beflügeln lassen.
Können Sie als Athlet den Umgang mit der Angst und den Gefahren in Ihrem Sport trainieren?
Nein, man kann das nicht speziell trainieren, aber man sollte sich im Training teilweise schon in „tiefe Gewässer“ begeben. Das bedeutet, dass man im Training schon viel durchmacht und richtig harte Runden hat, sodass man dann vor dem Kampf denkt: „Okay dieses Trainingscamp war so hart, und was jetzt im Kampf kommt, kann gar nicht schlimmer sein.“ Ich habe in keinem Kampf Situationen gehabt, die extremer waren als im Training.
In den USA ist MMA ein populärer und lukrativer Sport, in Deutschland steht MMA wegen angeblicher Brutalität häufig in der öffentlichen Kritik. Wie kann sich MMA auch bei uns zu einem anerkannten Sport entwickeln?
Man sollte mehr von den Kämpfern zeigen. Da sind oft interessante Leute dabei, die voll im Leben stehen und keine brutalen Idioten sind. Hinter jedem Kämpfer steckt eine eigene Geschichte und wenn man einfach diese mehr zeigen könnte, dann könnte das zu mehr Akzeptanz führen.
Wieso?
Wenn du als Außenstehender nur die Kämpfe ohne Hintergrundgeschichte siehst, dann wirkt es vielleicht so, als würden sich zwei brutale Männer einfach nur aufs Maul hauen. Daher muss man das Drumherum auch zeigen.
Dann würden die Leute verstehen, dass das auch ganz normale Menschen und keine Steinzeitmenschen sind. (lacht). Und was auch noch wichtig wäre: Deutschland braucht ein paar internationale Stars, die hier richtig bekannt sind.
Sie haben bereits drei Profikämpfe bestritten und sind bislang ungeschlagen. Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?
Durch harte Arbeit. Also immer dranbleiben, immer Vollgas geben und auch zum Training gehen, wenn es gerade eklig ist, wenn man müde ist und eigentlich keine Lust darauf hat.
Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Mein Ziel ist es, regelmäßig zu kämpfen. Ich habe mir vorgenommen zweimal im Jahr zu kämpfen und die Kämpfe natürlich zu gewinnen. Ich will in meiner Gewichtsklasse in Deutschland in der Rangliste nach oben steigen, so dass man auch meinen Namen kennt. Ich habe schon mit einigen aus der Top 10 trainiert und einen davon im Kampf besiegt und weiß, dass ich da hingehöre. Auch international will ich noch ein paarmal kämpfen und Siege einfahren.
- „Hochmut kommt vor dem Fall, das ist im MMA auch so“ - 25. Februar 2023