Halbfinale der Weltmeisterschaft: Deutschland gegen Brasilien. Der Gewinner dieses Spiels wird, mit großer Wahrscheinlichkeit, später auch als neuer Weltmeister aus diesem Turnier gehen. Dies macht der Spielverlauf deutlich. Denn auf dem Rasen findet kein harter Kampf statt, sondern eine einseitige Partie. Zu überlegen agiert die deutsche Mannschaft, zieht souverän ins Finale ein. Dort besiegt das Team mit dem Adler auf der Brust Österreich mit 4:2 und wird zum zehnten Mal Faustballweltmeister.
Den Titel der deutschen Faustballnationalmannschaft 2011 dürfte kaum einer registriert haben. Drei Jahre später, als die Fußballer den vierten Stern holen, jubelt das ganze Land. In Deutschland gibt es Sportarten, die erfolgreicher sind als Fußball, Handball und Co., aber nicht denselben
Bekanntheitsgrad haben. Ein Paradebeispiel dafür ist Faustball. Deutschland ist die führende Nation weltweit, zehn Weltmeistertitel der Männer und vier der Frauen, dazu sind die Männer amtierende World-Games Sieger und Europameister. Wie lebt es sich als erfolgreiche, unbekannte Sportart in Deutschland?
Faustball wird in Deutschland oft als „Alt-Herren-Sport“ oder „Affentennis“ bezeichnet. Dieses Ansehen rührt vermutlich von den Ursprüngen der Sportart, die im Turnen liegen. Faustball wurde von den Athleten als Ausgleich zu den Turnübungen betrieben. Dabei ging es vorrangig um Spaß an der Bewegung und nicht um Gewinnen oder Verlieren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Regeln des Faustballsports verändert, wodurch das Spiel dynamischer und nun auch gegen einander gespielt wurde. „Faustball hat manchmal einen falschen Ruf. Aber wenn man mal selber gespielt hat, weiß man, dass es gar nicht so einfach ist“, meint Tobias Rommel, Spieler in der 1. Bundesliga Süd beim TV Vaihingen/Enz.
Der Faustballsport früherer Zeiten hat nicht allzu viel mit dem von heute gemeinsam. Nicht nur „alte Herren“ spielen es, „sondern von jung bis alt, von sieben bis 70 Jahre, Mädchen oder Jungs, für jeden ist etwas dabei“, sagt Ulrich Meiners, Präsident der Deutschen Faustballliga (DFBL). Letztere ist ebenfalls eine Neuerung. Bis 2004 war der Faustballsport in Deutschland in den Turnverbänden organisiert. Die DFBL steht zwar immer noch unter dem Dach des Deutschen Turnerbundes, hat aber einen Eigenständigkeits-Vertrag mit diesem. Das bedeutet, dass über den gesamten Spielbetrieb des Faustballsports selber entschieden werden darf. „Wir können das Reglement und das Ligasystem ändern, alles wie wir es wollen und es sinnvoll für den Sport ist“, erklärt Meiners.
Auch wenn einige Faustballer diesem Schritt kritisch gegenüber stehen, es sind schon Fortschritte zu verzeichnen. Die Tendenz der abnehmenden Mitgliederzahlen konnte gebremst werden und im Jugendbereich stiegen sie sogar an. „Unser Ziel ist es, irgendwann einen eigenen Verband zu gründen“, so Meiners, was im Moment aus finanziellen Gründen noch nicht möglich sei. Aber nicht nur im organisatorischen Bereich hat sich Faustball verändert. Auch der Leistungssport ist nicht mehr so wie noch vor 30 oder 40 Jahren. Bestand früher eine Saison aus drei bis fünf Tagen, so ist der Aufwand der heute betrieben wird deutlich höher. „Training haben wir etwa drei Mal die Woche und ich gehe noch zusätzlich ins Fitnessstudio“, erzählt Tobias Rommel. Dazu kommen in der Feldsaison von April bis August Spiele an jedem Wochenende und im Winter die Hallensaison.
Trotz dieser Veränderungen kann von einer Professionalisierung noch lange nicht die Rede sein. Vom Faustball leben kann in Deutschland keiner. „Man kommt so null auf null raus. Mehr ist es leider nicht“, sagt der U-18-Weltmeister und U-21-Europameister Rommel. Fahrtkosten und Materialkosten werden von den Vereinen übernommen und „bei sehr großen Turnieren werden seit einigen Jahren Siegprämien bezahlt“, erklärt Karl Katz, Vorsitzender für das Fachgebiet Faustball im Schwäbischen Turnerbund. Der Sport bleibt immer der zweite Job neben dem eigentlichen Beruf oder Studium. Auch sonst ist Faustball wenig kommerziell. Zu einem Bundesligaspiel kommen etwa 200 Zuschauer, bei der deutschen Meisterschaft sind es immerhin etwa 1.000 Faustball kennen diejenigen, die in einem Ort aufgewachsen sind, in dem der Sport betrieben wird. Wer nicht von dort kommt, kann mit Faustball wenig anfangen. „Über Faustball haben meine Studienkollegen eine geteilte Meinung. Es kommt darauf an, wo man herkommt und ob man jemanden kennt, der diese Sportart betreibt“, sagt Tobias Rommel.
Durch das fehlende Interesse der Öffentlichkeit und Medien hat es der Sport schwer Gelder zu generieren, die wiederum genutzt werden können, um den Sport weiter zu verbreiten. „Es gibt keine Fernsehgelder und um Sponsoren müssen sich die Spieler selber kümmern“, so Katz. Das Medieninteresse am Faustball, abgesehen von der Lokalpresse, fehlt fast völlig. Darunter leidet die Bekanntheit der Sportart. „Es wäre schön, wenn wir in der Lage wären, zumindest Trainer und Mitarbeiter für die Öffentlichkeitsarbeit hauptamtlich zu beschäftigen“, so Meiners. Zurzeit läuft alles ehrenamtlich, vom Helfer an Bundesligaspieltagen über Trainer bis zum Präsidenten der Faustballliga.
Nur negativ zu sehen sei die Position des Faustballs in Deutschland aber nicht, beteuert Meiners: „Vielleicht ist das auch ein Vorteil, wenn nicht alles so professionalisiert ist. Da bleibt man eher auf dem Boden der Tatsachen und weiß, was sein Sport wert ist, neben dem Beruf oder Studium“. Auch als Randsportart möchte man sich im Faustball nicht bezeichnen. „Wir sind ein Insidersport. Den Begriff Randsportart hören wir nicht so gerne“, sagt Meiners. Die Sportler, die dabei sind, sind mitten drin und nicht am Rand. Im Faustball kann sich jeder wiederfinden. Trotzdem soll in den nächsten Jahren eine Steigerung der Popularität vorangetrieben und der Spagat zwischen Leistung und Breitensport optimiert werden. „International sind wir sehr erfolgreich und haben gute Arbeit geleistet, aber dennoch fehlt es an der Breite. Daran müssen wir arbeiten“, so Ulrich Meiners.
In drei Jahren freuen sich die Fußballfans auf die Titelverteidigung der Fußballnationalmannschaft. Die Faustballfans müssen darauf nicht mehr so lange warten. Den Faustballern kann das schon dieses Jahr im November gelingen. Die Zeichen stehen nicht schlecht, denn es geht nach Argentinien. Ein Blick auf die Statistik zeigt: Drei von vier Turnieren auf südamerikanischem Boden konnten die deutschen Faustballer bisher für sich entscheiden. Auf dem südamerikanischen Erdteil scheinen sich deutsche Fuß… nein Faustballer sehr wohl zu fühlen.
Rike Held
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