Die Iren sind ein stolzes Volk: trinkfest, gesellig und hart im Nehmen. „Gaelic Football“ ist Nationalsport auf der grünen Insel und verkörpert neben Guinness, Whiskey und Kobolden die irische Seele.
Außerhalb weitgehend unbekannt ist Gaelic Football in Irland neben Hurling, was ein Journalist einmal als „Hockey mixed with murder“ bezeichnete, die populärste Sportart. Der 1884 gegründete Dachverband GAA (Gaelic Athletic Association) ist mit etwa 2300 Clubs – 93 allein in Dublin – eine der größten Amateursportvereinigungen der Welt. „An jedem Ort der Welt, wo sich mehr als zwei Iren treffen, wird ein Gaelic-Football-Verein gegründet“, so Eoin Byrne, Trainer bei den Munich Colmcilles, einem der ersten Vereine für Gaelic Games in Deutschland.

Schnell, hart und körperbetont
Gälischer Fußball ist auf den ersten Blick eine wilde Mischung aus Fußball und Rugby: das Spielgerät ist ein Lederball und Tore müssen per Fuß erzielt werden. Für einen Treffer direkt ins gegnerische Fußballtor gibt es drei Punkte, überquert der Ball die Latte zwischen zwei Stangen über dem Tor, macht das einen Punkt. Im Gegensatz zum Fußball ist es ausdrücklich erlaubt, den Ball mit allen Körperteilen zu berühren. Jede Mannschaft besteht traditionell aus 15 Spielern, die sich auf einem Platz von mindestens 130 Metern Länge und 80 Metern Breite bewegen. „In Europa haben wir aber keinen Zugang zu den großen Plätzen, deswegen spielen wir normalerweise 11 gegen 11 auf Fußballfeldern“, erklärt Eoin Byrne.

Die 15 Spieler jeder Mannschaft dürfen mit Ball in der Hand laufen, prellen und ihren Mitspielern per Schlagpass zuspielen. Die einzigen Regeln hierbei: Werfen ist nicht erlaubt und der Ball darf nur für die Dauer von vier Schritten fest in der Hand gehalten werden, dann muss er geprellt werden oder mit dem Fuß zurück in die Hand gekickt werden. Das muss jeweils abwechselnd passieren. Die besten Spieler schaffen es, diesen technisch anspruchsvollen Bewegungslauf im Vollsprint durchzuführen.

Prinzipiell ist Gaelic Football weit weniger taktisch als Fußball. Angriff ist hier die beste Verteidigung, oder wie es Florian Christoph für die Zeitschrift „11 Freunde“ ausdrückte: „Die Spieler halten aus allen Lagen drauf, Volleyschüsse en masse. Man könnte meinen, Bernd »Dr. Hammer« Nickel hätte das Spiel erfunden.“ Beim Gaelic Football gibt es im Ballbesitz nur eine Richtung: nach vorne. Über das mindestens 130 Meter lange Spielfeld wird fast nur gesprintet. Ähnlich wie beim Basketball oder Handball geht es permanent hin und her. Wegen der extremen körperlichen Belastung dauert jede Halbzeit bei National-League-Spielen 35 Minuten, in niedrigeren Spielklassen nur 30 Minuten.
Gaelic Football setzt Ballbeherrschung wie im Fußball, extreme Fitness und einiges an Nehmerqualitäten voraus. Denn was die Härte des Spiels angeht, ähnelt der irische Nationalsport am ehesten dem Rugby: Es wird ohne Schutzkleidung gespielt, selbst Lederhandschuhe sind verpönt. Tackling allerdings ist regelkonform, sofern dabei Schulter auf Schulter trifft. Bei einer Partie Gaelic Football gibt es dementsprechend immer blaue Flecken, wer noch laufen kann und nicht allzu sehr blutet, spielt weiter. Nur sehr selten wird der Spielfluß durch den Schiedsrichter unterbrochen. Um sich von einer anstrengenden Partie zu erholen, gehört Geselligkeit nach dem Spiel dazu. „Es ist immer lustig, mit 200 Iren nach einem Turnier feiern zu gehen“, sagt Eoin Byrne, gebürtiger Ire und Trainer der Munich Colmcilles.

Symbol der irischen Unabhängigkeit
Gaelic Football ist nicht nur Sport, sondern auch zentrales Element der irischen Kultur. Mit der Härte im Spiel ist Gaelic Football ein Gegenmodell zum „verweichlichten“ Fußball der lange Zeit verhassten Engländer. Spätestens seit dem irischen Unabhängigkeitskrieg 1920 steht Gaelic Football als Symbol für den Widerstand der Iren gegen die Besatzer von der Nachbarinsel. Am „Black Sunday“, dem 21. November 1920, erschossen englische Soldaten während einer Partie Gaelic Football 14 Zuschauer und Spieler. Dieser Tag markiert einen wichtigen Punkt im irischen Unabhängigkeitskrieg, der zwei Jahre später zur Loslösung Irlands von der englischen Krone führte.
Die Bedeutung von Gaelic Football als Symbol für den irischen Nationalstolz ist nach wie vor zu spüren: Trotz der Ähnlichkeit zum Fußball gab es in der Geschichte der GAA nicht viele Spieler, die zum Fußball wechselten – obwohl im Gaelic Football kein Cent Gehalt gezahlt wird. Irlands Nationalsport ist nach wie vor nicht professionalisiert, selbst die besten Spieler gehen neben ihrem täglichen Training einer geregelten Arbeit nach. „Obwohl sie vor 80.000 Leuten spielen, bekommen die Spieler kein Gehalt. Wir sind sehr stolz darauf, dass das Spiel immer noch einen Amateurstatus genießt und Geld keinen Einfluss hat“, betont Eoin Byrne von den Munich Colmcilles. Er und seine Spieler zahlen bei Auswärtsspielen alle Reisekosten aus eigener Tasche.

Ebenso gibt es keine Spielertransfers, man spielt für seinen Heimatort und für sonst niemanden. Obwohl Irlands Nationalsport seit über 125 Jahren Stadien auf der ganzen Insel füllt und der übertragende Fernsehsender bei Endspielen eine Traumquote von mehr als 70 Prozent erzielt, ist Gaelic Football nach wie vor nicht kommerzialisiert. Das macht den irischen Volkssport weltweit einzigartig. Für die Gewinnermannschaft des All-Ireland-Finals im Dubliner Croke-Park gibt es passend dazu vor 80.000 Zuschauern als Siegprämie lediglich einen Pokal – im Fußball wäre der wohl mit Bier gefüllt. Beim Gaelic Football ist er natürlich randvoll mit irischem Whiskey.
Johannes Kolb
- Die Milch MACHT’s - 11. Oktober 2015
- Ein Geschenk, das niemand will - 16. September 2015
- Basketball mal anders - 25. Juni 2015