Gastbeitrag von Max Krivan
Pascal Wehrlein hat mit acht Jahren mit dem Kartsport begonnen. Einen Tag vor seinem 21. Geburtstag hat er 2015 als jüngster Fahrer der Geschichte den Meistertitel in der DTM gewonnen. Nach diesem Erfolg wechselte der in Sigmaringen geborene Rennfahrer mit der Unterstützung von Mercedes für insgesamt zwei Jahre in die Formel 1. Nach einer weiteren Saison 2018 in der DTM fährt Wehrlein in der FIA-Formel-E. Seit 2020 steht er bei Porsche unter Vertrag.
Herr Wehrlein, Sie waren sowohl in der DTM, als auch später in der Formel 1 aktiv, seit 2019 sind Sie in der Formel E. Was macht für Sie den Reiz dieser Rennserie aus?
Zuallererst natürlich die Technik. Elektroantriebe werden immer relevanter und man sieht enorme Fortschritte in der Technik. Von Anfang an Teil dessen zu sein und zu sehen, wie sich das alles entwickelt, ist ziemlich cool. Des Weiteren ist die Serie sehr ausgeglichen und dadurch der Wettbewerb sehr hoch. In keiner anderen Rennserie sind so viele Hersteller mit dabei. Die Autos sind hauptsächlich Einheitsautos, somit kann man nur wenig am Auto selbst verändern, wodurch jedes Team konkurrenzfähig und stark ist.
Sie waren acht Jahren alt, als Sie mit dem Kartsport angefangen haben. Was hat Sie am Rennsport gereizt und wieso sind Sie dabeigeblieben?
Von klein auf fand ich Motorsport faszinierend und habe es immer verfolgt. Mit fünf Jahren bin ich mit meinem Vater nach Hockenheim zu einem Formel-1-Rennen gefahren. Danach habe ich immer wieder zu meinen Eltern gesagt: „Ich will eines Tages Rennfahrer werden“. Drei Jahre lang habe ich sie genervt, bis wir dann endlich mal Kart fahren gegangen sind.
Erinnern Sie sich noch an das Gefühl bei Ihrem ersten professionellen Rennen? Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen?
Die ersten professionellen Rennen sind mental wirklich nicht einfach. Ich war bei meinem ersten DTM-Rennen gerade 18 Jahre alt. Man möchte sich beweisen gegen die ganzen Profis, die teilweise seit fünfzehn Jahren in der DTM dabei sind. Mir war klar, dass ich mich gleich durchsetzen muss, ansonsten rücken andere nach und ich verliere den Anschluss. Deswegen war es wichtig, damals von Anfang an gut zu sein, sich reinzuarbeiten und Arbeitsmoral zu zeigen. Man sollte die richtige Einstellung an den Tag legen und lernfähig sein, um sich verbessern zu können.
Sie fahren im Motorsport mit extrem hohen Geschwindigkeiten, in der Formel E sogar auf Stadtkursen. Wie nehmen Sie diese in den Rennen wahr?
An die Geschwindigkeit der Rennwagen gewöhnt man sich sehr schnell. Ich bin schon, seitdem ich klein bin, Rennen gefahren und saß in vielen verschiedenen Autos mit teilweise sehr hohen Geschwindigkeiten. 300 km/h geradeaus zu fahren fühlt sich für mich ehrlich gesagt nicht mehr sonderlich schnell an. Der besondere Reiz sind die enorm hohen Kurvengeschwindigkeiten und die engen Kopf-an-Kopf-Duelle mit den anderen Fahrern.
Motorsport birgt immer ein Risiko. Können Sie dieses komplett ausblenden oder spielt so etwas im Kopf in manchen Situationen eine Rolle?
Das kann ich komplett ausblenden. Motorsport ist mittlerweile ziemlich sicher geworden, trotzdem kann immer etwas passieren. Im Vergleich zu vor 20, 30 Jahren ist der Motorsport dennoch deutlich sicherer geworden, das wissen wir auch als Fahrer. In den Rennen konzentriert man sich vor allem darauf, so schnell wie möglich zu fahren und das Beste aus der Situation zu machen, ohne dass das Risiko eine zu große Rolle im Hinterkopf spielt.
Sie waren in vielen Rennserien aktiv, welche hat Sie am meisten gefordert?
Definitiv ist die Formel 1 mit der Geschwindigkeit und den Belastungen, die auf den Körper wirken, am Extremsten. Aber auch die Formel E ist sehr anstrengend, da es nur in dieser Serie keine unterstützende Servolenkung gibt. Im Rennen müssen wir viele Codes an das Team durchgeben und auf das Energiemanagement achten. Dadurch ist die mentale Anstrengung höher und nach einem Rennen sind die Arme sehr müde.
Wie wichtig ist deswegen körperliche Fitness? Wie kann man sich so einen typischen Trainingstag bei Ihnen vorstellen?
Training spielt eine große Rolle, vor allem in der Winterpause. Ich trainiere ein- bis zweimal täglich. Ich mache dann einmal Kraft- und einmal Ausdauertraining. Wir müssen zwar so stark wie möglich sein, aber dürfen nicht an Gewicht zunehmen. Sonst sind wir zu schwer und haben dadurch Nachteile auf der Strecke. Während der Saison ist es nicht so leicht viel zu trainieren oder intensiv sein Trainingslevel zu verbessern, weil wir so viel unterwegs sind.
Wie sieht die Regeneration nach einem Rennen aus?
Da habe ich selbst noch Verbesserungspotenzial, weil ich jemand bin, der immer gerne sportlich aktiv ist. Ich möchte am liebsten jeden Tag Sport oder etwas Anderes machen. Dieses Thema möchte ich definitiv noch mehr angehen. Nach dem Rennen haben wir zum Beispiel Physiotherapie, dort werden wir speziell an den Stellen, die am meisten betroffen sind, behandelt. Eigentlich ist für mich am wichtigsten, nach einem Rennen viel Schlaf zu bekommen.
Haben Sie ein bestimmtes Ritual vor jedem Rennen?
Ja, definitiv. Ich möchte für mich alleine sein. Zwischen Qualifying und Rennen haben wir etwa zwei Stunden. Zuerst gehen die Ingenieure und ich alles durch, was das Rennen betrifft. Anschließend habe ich zwischen einer halben bis einer Stunde Zeit für mich alleine. In dieser Zeit versuche ich mich auszuruhen, abzuschalten, aber auch zu konzentrieren. Ich mache gerne in dieser Phase fünfzehn Minuten ein Nickerchen.
Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit, wenn Sie nicht gerade hinter dem Lenkrad sitzen?
Ich spiele gerne Fußball. Bis meine Karriere im Motorsport mit achtzehn Jahren richtig begonnen hat, habe ich im Verein gespielt. Jetzt verbringe ich meine Freizeit am liebsten auf dem See. Ich wohne am Bodensee und da haben wir ein kleines Boot. Mit Freunden eine gute Zeit zu haben und Wakeboard zu fahren, das macht mir am meisten Spaß, gerade im Sommer. Ich liebe allgemein das Wasser und das Meer und kann dort dann auch am besten abschalten.
Sie haben deutsch-mauritische Wurzeln und sind der erste Rennfahrer aus Mauritius. Wie ist Ihr Verhältnis zur Heimat Ihrer Mutter und das Interesse an dieser Kultur?
Ich bin super interessiert. Meine Mutter kommt aus Mauritius und wir haben dort ein kleines Haus und Familie. Vor der Corona-Pandemie haben wir die Weihnachtszeit meistens auf Mauritius verbracht, das ging jetzt seit zwei Jahren leider nicht mehr.
Die Mentalität und Kultur ist im Vergleich zu der hier in Deutschland ganz anders und ich bin froh beide Seiten zu kennen. Ich glaube, dass mir das in schwierigen Situationen hilft eine andere Perspektive auf das Geschehen zu haben.
Das Gespräch führte Max Krivan
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