Ein Kommentar von Sebastian Kohler
Die Welt des Fußballs gerät aus den Fugen. Nie zuvor drang das meist kriminelle Treiben der Fifa-Führung derart geballt an die Öffentlichkeit, wurde derart viel Schmutz aus den Führungsetagen herausgespült wie in diesem Jahr. Fifa-Präsident Sepp Blatter wurde von seiner hauseigenen Ethikkommission für 90 Tage suspendiert, wenig deutet darauf hin, dass er je wieder in sein Amt zurückfinden wird. Die im vergangenen Sommer von US-amerikanischen Ermittlern ins Rollen gebrachte Lawine traf hochrangige Funktionäre. Nachdem die schweizerische Justiz das Treiben jahrzehntelang geduldet hatte, geht auch sie auf die Jagd nach korrupten Sportfunktionären, die über all die Jahre in der Schweiz heimisch geworden sind. Der Staatsanwalt ist immer häufiger zu Gast beim Sport. Doch ob das einen nachhaltigen Klimawandel im organisierten Sport einleiten wird, ist ungewiss.
Anlass zur Hoffnung geben die jüngsten Enthüllungen in der Causa Blatter. Sein designierter Nachfolger Michel Platini ist schwer angeschlagen, die sonst so zahmen Fifa-Ethiker belegten auch ihn mit einem 90 Tage währenden Bann. Der einstige Ballzauberer und aktuelle Uefa-Präsident kann nicht so recht erklären, warum er mitten in den Fifa-Präsidentschaftswahlkampf 2011 hinein zwei Millionen Schweizer Franken von Blatter erhielt, für zwischen 1999 und 2002 geleistete Dienste. Platini, der Insidern zuvor bereits als Lakai von Blatters Günstlingswirtschaft bekannt war, muss nun um seine bereits stark verbeulte Reputation fürchten. Verdächtig ist auch seine Verbindung zum WM-Gastgeber 2022, Katar. So ergatterte Platinis Sohn kurz nach der WM-Vergabe in den Golfstaat einen hochdotierten Posten beim Staatsfonds Qatar Sports Investment.
Ermittlungen, Festnahmen, Anklagen, Korruption, Geldwäsche, Untreue, bandenmäßige Verschwörung – es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Ermittler dem Fifa-Syndikat das Handwerk legen. Aber wann, und in welchem Ausmaß? Von selbst wird sich der Verband jedenfalls nicht reformieren, das zeigt bereits ein Blick ins neue Jahr. Bei einem Sonderkongress im Februar 2016 wollen sie einen Thronfolger küren, favorisiert ist derzeit Scheich Salman aus Bahrain, Organisationen werfen ihm schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Der Scheich stünde also durchaus für einen Abkehr von den Werten der alten Administration – allerdings eher hin zum Schlimmeren.
Die amerikanische Bundespolizei FBI, das Justizministerium und die Steuerbehörde IRS stufen die Fifa mittlerweile als sogenannte „Racketeer Influenced and Corrupt Organization“ ein, als korrupte, mafiaverwandte Organisation. Entscheidend wird sein, ob die Ermittler nun entsprechende Maßnahmen einleiten. Dass die unter dubiosen Umständen nach Russland vergebene Weltmeisterschaft 2018 auch in Russland stattfinden wird, steht wohl außer Zweifel. Von der nicht minder skandalumwehten Vergabe nach Katar 2022 sollte sich die neue Fifa-Administration allerdings schleunigst abwenden. Diese neue Führung muss die Fehler der Vergangenheit aufarbeiten, das Personal austauschen, externe Prüfer installieren und für Außenstehende transparent operieren. Vor allem muss sie alte Strukturen zerschlagen, ohne Kompromisse. Oder hat es jemals zum Erfolg geführt, einer mafiaverwandten Organisation mit Reformen beizukommen?
Sebastian Kohler
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