Du bist seit 2001 Biathletin. Da warst Du gerade 14 Jahre alt. Was hat sich zu diesem Zeitpunkt für Dich verändert?
Meine Freizeit ist deutlich weniger geworden. Ich habe Biathlon ja schon vor meinem 14 Lebensjahr gemacht, aber ab diesem Zeitpunkt ist es deutlich mehr geworden. Ich hatte von da an jeden Tag Training neben der Schule.
Sicher hat sich im Laufe der Zeit Dein Anspruch an sportliche Erfolge verändert. Dementsprechend wurde sicherlich das Trainingspensum erhöht. Wie hast Du Schule und Training vereinbaren können?
Ziemlich gut. Mein Vater war gleichzeitig mein Trainer. Das hat die Sache etwas einfacher gemacht. Wenn dann Klausuren in der Schule anstanden, konnte ich sagen „ok Vater, heute mal ein bisschen weniger Training, ich muss noch für die Schule lernen“. Dadurch konnte ich mich besser aufs Training konzentrieren und die Schule kam trotzdem nicht all zu kurz. Ich hatte in der Schule auch die Möglichkeit Lernstoff nachzuholen, wenn ich zum Beispiel auf Lehrgängen war. Allerdings gab es Fächer, in denen man schon gemerkt hat, dass der Unterricht fehlte. Deshalb habe ich dann auch Mathenachhilfe genommen. Außerdem war ich sehr ehrgeizig und hatte den Anspruch, beim Sport und in der Schule gut zu sein.
Fünf Jahre später hast Du Dein Abitur gemacht. Du hast Deine Schule in einem Zeitraum absolviert wie jeder andere Jugendliche auch. Ist neben Training, Wettkämpfen, Schule und Lernen nicht irgendetwas auf der Strecke geblieben?
An den Wochenenden gab es oft Situationen, in denen ich lieber mit Freunden feiern gegangen wäre. Aber die Haupttrainingseinheiten waren nun mal am Wochenende. Aber dafür war es umso schöner, wenn ich dann wieder auf einen Lehrgang mitgehen durfte. Da hat es sich schon gelohnt, Zeit in das Training zu investieren.
Nach dem Abitur hast Du 2007 an der Hochschule Ansbach mit dem Studium des Internationalen Managements begonnen. Wie viel bedeutet Dir Dein Studium neben Deinem sportlichen Erfolg?
Das Studium ist mir schon sehr wichtig! Ich bin froh, dass ich es machen darf und es klappt auch sehr gut neben dem Sport. Es ist eine gute Ausgleichsmöglichkeit, da der Sport auf den Körper bezogen ist, da kann ich im Studium auch etwas für den Kopf tun. Ich habe früher neben der Schule schon Sport gemacht, das ist nun eigentlich auch nichts anderes. Man lernt in den Vorlesungen auch andere Leute kennen, dadurch werden auch andere Akzente gesetzt. Das ist auch schön. Und mit dem Sport ist es irgendwann auch zu Ende, man macht das ja nicht für immer. Und wenn die sportliche Karriere dann zu Ende ist, fange ich nicht komplett bei null an, sondern ich habe dann etwas in der Hand.
Zu welcher Jahreszeit ist Dein Trainingspensum besonders hoch? Und wie trainierst Du als Biathletin im Sommer?
Das Trainingspensum ist im Frühjahr, Sommer und Herbst am höchsten. Im Winter kommen die Wettkämpfe. Und was wir im Sommer nicht trainieren, kann im Winter nicht nachgeholt werden. Das Training ist so gestaffelt, dass im April gar nicht trainiert wird, weil das die Zeit direkt nach der Saison ist. Deshalb beginnen wir erst im Mai mit dem Training. Also im Sommer trainieren wir mit dem Fahrrad, Rennrad oder Mountainbike. Hin und wieder gehen wir auch zum Paddeln. Wir haben für den Sommer Skiroller. Einen für die klassische Technik und einen zum Skaten. Der Skiroller ist ein Metallholm mit jeweils vorn und hinten einer Rolle und ist mit einem Skischuh und einer Bindung versehen.
Sportlich hat sich im letzten halben Jahr auch einiges getan. Du bist erstmals beim Weltcup gestartet. Worin liegt der Unterschied zwischen Europacup und Weltcup?
Die Namen der Konkurrentinnen (lacht). Im Weltcup ist viel mehr drum herum. Das Fernsehen ist dabei, es sind viel mehr Techniker im Einsatz und ich muss mich viel weniger um meine Ski kümmern.
Welche weiteren Veränderungen kamen auf Dich zu?
Die Wettkampforte ändern sich. Ich bin viel mehr unterwegs.
Wie hältst Du zu Deinen Freunden Kontakt? Ist hier Platz für Freundschaft?
Über Skype, Whats app oder Email. Ich skype schon häufig mit meiner Familie. Vor allem nach Wettkämpfen, die nicht so liefen, wie ich es mir erhofft habe. Da telefoniere ich auch gern. Mit meinen Freunden kann ich so auch sehr gut in Kontakt bleiben. Meine Freunde sind das schon gewohnt von mir, dass ich so oft unterwegs bin. Ich mache das ja schon seit einer langen Zeit. Wenn ich dann anrufe und sage, dass ich am Wochenende wieder unterwegs bin, dann sagen sie nur „ja Franzi, mach mal“ (lacht).
Und wie viel Zeit findest Du noch für Hobbies?
Ich lese gern mal ein Buch und das sind so Sachen, für die ich mir Zeit nehme. Oder ich sag mir, heute fahr ich mal zum See und leg mich in die Sonne und lass es mir gut gehen. Für den Sport kann man eigentlich immer etwas tun, aber ich muss mir dann auch mal sagen, bis hier hin und stopp.
Neben Studium und Training bist Du Sportsoldatin bei der Bundeswehr. Kannst Du Dein Training mit Deinem Einsatz bei der Bundeswehr koordinieren?
Ja, sehr gut sogar. Im April und Mai hatte ich dieses Jahr einen militärischen Lehrgang bei der Bundeswehr. Das war im Mai zwar organisatorisch etwas schwieriger, weil da das Training wieder begonnen hat, aber das wissen die bei der Bundeswehr ja. Und dann habe ich nach Dienstende noch Training. Wir haben hin und wieder militärische Ausbildung, sonst sind wir Sportler aber für das Training freigestellt.
Bleibt bei diesem hohen Arbeitspensum nicht das Studium auf der Strecke?
Nein. Man muss sich hin und wieder in den Hintern treten und es ist gut, wenn ein Klausurtermin näher rückt. Aber bisher konnte ich es gut koordinieren. An der Hochschule ist der Bachelorstudiengang auf zehn Semester erhöht worden, deshalb ist es gut machbar. Klar gibt es Phasen, in denen nicht das heraus kommt, das man sich erhofft hat oder eine Note, die nicht unbedingt hätte sein müssen. Aber im Großen und Ganzen bin ich schon sehr zufrieden.
Gibt es Situationen, in denen Du Dich überfordert fühlst und gern alles hinschmeißen würdest?
Nein. Klar gibt es Momente (seufzt), in denen man nicht direkt ein Licht am Ende des Tunnels sieht, aber bisher habe ich immer einen Weg gefunden, auf dem ich alles wieder in geordnete Bahnen lenken konnte. Was mir in solchen Momenten geholfen hat, war auch ein Trainingsstützpunktwechsel oder ein Trainerwechsel, zum Beispiel, wenn es sportlich nicht funktioniert hat. Das war ganz unabhängig vom Studium.
Was bedeutet für Dich Freiheit?
Selbstbestimmung. Verwirklichung. Träumen. Wenn ich in meinem Tun und Handeln die Freiheit habe, meinen Wünschen nach zu gehen. Wenn ich mich im Training auch einbringen kann, wenn ich mit meinem Trainer über viele Dinge sprechen kann.
Wie frei fühlst Du Dich mit all Deinen Aufgaben? Gibt es so etwas wie Freiheit überhaupt noch für Dich?
Ja, ich schaffe mir Freiheit. Wenn ich keine Lust mehr habe, dann schaue ich, wo ich mir Zeit freischaufeln kann und dann gehe ich mal zum Shoppen oder besuche eine Freundin in München. Ich habe mir mein Leben so selbst ausgesucht. Es macht mir Spaß und deshalb fühle ich mich frei, auch wenn ich ziemlich beschäftigt bin. Ich kann immer noch atmen (lacht). Ja, genug Luft zum Atmen habe ich, es erdrückt mich nicht!
Nicole Toregrossa
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