Warum der Fußball bald keine Nachspielzeit mehr braucht
Es gehört zum Fußball wie das Abseits oder die Gelbe Karte: das Zeitspiel. Nicht nur in wichtigen Final- oder Entscheidungsspielen, sondern auch wenn es „nur“ um wichtige Punkte im Ligaalltag geht, ist das Schinden von Sekunden sehr beliebt. Sei es durch Wegschlagen des Spielballs oder durch das Simulieren einer Verletzung – Profifußballer finden immer einen Weg, die Uhr herunterzuspielen. Das ist so, gab es schon immer und wird es immer geben – besonders südländische Nationen haben traditionell den Ruf der Simulanten inne. Was des einen Fan Freude ist, ist des Gegners Leid. Gellende Pfeifkonzerte und Beschimpfungen sind häufig die Folge, wenn ein Spieler angeblich eine Verletzung simuliert oder bei einer Auswechslung jedem einzelnen Fan einzeln zuklatscht und sich dabei noch bei allen Schiedsrichtern persönlich per Handschlag bedankt.

Klar ist, dass es diese Methoden schon lange gibt und auch das gute Recht eines Teams ist, die Punkte an der gegnerischen Eckfahne zu sichern. Nichts ist ärgerlicher, als Minuten vor dem Schlusspfiff mit einer knappen Führung im Rücken noch leichtsinnig in einen Angriff zu laufen. Dennoch hat sich die Art des Zeitspiels im Laufe der letzten Jahre gehörig verändert. Während früher die Ballsicherung in der Hälfte des Gegners in den letzten Minuten sehr populär war, häuft sich nun das Ausnutzen des allseits anerkannten „Fair Play“. Es ist üblich, bei einer Verletzung des Gegners – ohne dass der Schiedsrichter auf Foul entscheidet – den Ball ins Aus zu spielen, damit der Spieler behandelt werden kann. Oft ist das durchaus nötig und richtig und eine Geste des gegenseitigen Respekts. Immer häufiger wird jedoch beklagt, dass Spieler eine Verletzung simulieren, um eben diese Unterbrechung zu provozieren. Befindet sich das gegnerische Team im Moment der angeblichen Verletzung aber in einem aussichtsreichen Angriff, zögert man als angreifende Mannschaft natürlich zweimal, den Ball ins Seitenaus zu spielen. Zumal der angeblich schwer verletzte Spieler häufig nach wenigen Sekunden wieder vollkommen genesen über den Platz läuft.
Nicht sehr viel beliebter machen sich Spieler, die sich in der Schlussphase des Spiels nach harmlosen Fouls lange behandeln lassen und so wertvolle Zeit schinden, um möglicherweise den wertvollen Vorsprung über die Zeit zu retten. Natürlich lässt sich nicht auf die Schnelle bestimmt sagen, ob ein Spieler wirklich schwer verletzt ist und deswegen eine lange Behandlungspause braucht oder nicht. Darum werden immer mehr Stimmen laut, die ein Anhalten der Uhr im Fußball fordern. In anderen Sportarten wie beim Basketball oder Handball wird dies bereits praktiziert und Zeit schinden ist deshalb sinnfrei, weil die Behandlungszeit nicht von der Spielzeit abgeht. Damit würden auch die Diskussionen über eine besonders lange Nachspielzeit, die laut manchen Fanlagern dem FC Bayern München des Öfteren zuteilwird, enden.
Natürlich gibt es auch immer Stimmen gegen Veränderung, die die Tradition und das klassische Regelwerk erhalten wollen. Doch in jüngster Zeit wurde schon viel über Veränderungen von Regeln diskutiert, selbst das Abseits stand auf dem Prüfstand. Da müssen sich auch alteingesessene Fußball-Romantiker mit dem möglichen Anhalten der Uhr anfreunden. König Fußball wird es überleben – der Simulationskönig nicht.
Tony Marquardt
- Sportmode im Lauf der Zeit – Vom Sportartikel zum Fashion-Mainstream - 28. August 2017
- Die Zeit für Zeitschinder läuft ab - 9. August 2017
- Bestzeit – Die Formel 1 im Geschwindigkeitsrausch - 7. Juli 2017